Bis zum Jahresende müssen im Kreis Esslingen für 650 Flüchtlinge Wohnungen gefunden werden. Die Suche übernehmen meist Ehrenamtliche. Immer öfter landen Kriegsflüchtlinge jedoch in Obdachlosenheimen, denn die Resonanz seitens vieler Vermieter ist mager.

Esslingen - Auf seine Anzeige im Dettinger Mitteilungsblatt hat Hermann Pölkow vom Arbeitskreis Asyl bislang keine Resonanz erhalten. In fetten Lettern ist zu lesen: „Mietwohnungen gesucht“. Für „ordentliche syrische Familien“ mit je zwei bis drei Kindern, aber auch an Kinderlose. Miete und Nebenkosten werden vom Jobcenter garantiert. Auch im übrigen Landkreis finden anerkannte Flüchtlinge trotz großer Bemühungen von Ehrenamtlichen, sozialen Diensten und Kirchengemeinden kaum Wohnungen. Vielerorts landen sie in Obdachlosenheimen. Denn die Bereitschaft von Vermietern, ihre freien Wohnungen abzugeben, ist bescheiden. Die Beteiligten sprechen von einer traurigen Bilanz. Die Ursachen sind vielfältig. Nicht überall gibt es genügend Wohnraum, oft ist er zu teuer. Doch auch interkulturelle Dinge wie Sprachbarrieren und Ängste spielen eine Rolle. In einigen Gemeinden werden die Helfer deshalb kreativ und gehen sogar finanzielle Risiken ein.

 

Eigentlich endet das Mietverhältnis der 24 syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem alten Haus an der Mittleren Straße in Dettingen Ende August. Dann sind die sechs Monate, die sie Zeit hatten, eine Wohnung zu finden, abgelaufen. Als Kontingentflüchtlinge, die die Bundesregierung im Rahmen humanitärer Hilfe direkt aufgenommen hat, ist ihr Aufenthaltsstatus auf zwei Jahre gesichert, sie dürfen arbeiten.

„Wir haben eine Wohnung in Plochingen gefunden“, sagt Pölkow, der ehrenamtlich bei der Suche hilft. Das war es aber auch schon. „Es gibt in Dettingen leer stehende Wohnungen, aber scheinbar lassen die Besitzer sie lieber unvermietet“, sagt er. Wenn keine Wohnungen gefunden werden, wisse er nicht, wie es weitergeht. Die Hoffnung, dass sich doch noch ein Vermieter einen Ruck gibt, bleibt.

Suche endet für viele Flüchtlinge im Obdachlosenheim

Der Leiter des Amts für Flüchtlingshilfe in Esslingen, Christian Sigler, sieht die Problematik im ohnehin angespannten Wohnungsmarkt. „Wir sind stark verdichtet, auch im hochpreisigen Bereich“, sagt er. Hinzu käme, dass im Landkreis 12 000 Hartz-IV-Empfänger auf demselben Wohnungsmarkt wie die Flüchtlinge konkurrierten. „In diesem Jahr rechnen wir mit 650 Flüchtlingen, die eine Anschlussunterbringung brauchen“ erklärt Sigler. Für das nächste Jahr könne er noch keine verlässliche Prognose geben: „Es könnten 1000 werden oder noch mehr.“

Und so endet die Suche für viele Flüchtlinge im Obdachlosenheim. Das ist unter anderem in Esslingen, Nürtingen und Ostfildern der Fall. „Von den knapp 25 Syrern in Ostfildern haben vielleicht zehn Prozent eine Privatwohnung gefunden. Alle anderen leben in der Obdachlosenunterkunft“, sagt Jörg Berrer, der Sachgebietsleiter Soziales bei der Stadt Ostfildern. Das sei bitter. Auch in Ostfildern habe es zahlreiche Aufrufe für Wohnungen gegeben. Selbst auf den vom Oberbürgermeister habe sich niemand gemeldet. Immerhin habe man aktuell für einen Syrer eine städtische Wohnung gefunden. „Er kann jetzt seine Familie nach Ostfildern holen“, berichtet Berrer.

Angesichts der Mietobergrenze, die für eine vierköpfige Familie bei 580 Euro liegt, ist es ein Erfolg. „Finden sie da mal eine Wohnung“, sagt Berrer. „Anschlussunterbringung bedeutet ja, dass die Leute dauerhaft irgendwo unterkommen sollen.“ Vorübergehende Bauten möchte Berrer verhindern, „aber ich fürchte, dass sie kommen“.

Angst um die Kehrwoche

Doch es liegt nicht nur am gesättigten Markt im Landkreis, dass anerkannte Flüchtlinge keine Wohnung finden. Die Ehrenamtlichen aus den Gemeinden berichten von ähnlichen Ängsten vieler Vermieter. „Viele wollen keine sechs Leute in einer Drei-Zimmer-Wohnung haben. Dann kommt noch das Sprachproblem dazu“, sagt Hermann Pölkow.

Ähnliches beobachtet Theresa Ringwald, die seit April die ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit in Kirchheim koordiniert. „Man möchte die Kehrwoche gemacht wissen und dass nichts aus dem Fenster geworfen wird“, sagt sie. Um das nötige Vertrauen zu schaffen, gab es in Kirchheim die Idee, die Wohnungssuche über eine Kirchengemeinde zu starten. „Aber da muss sich halt erst mal jemand finden, der diese Arbeit übernimmt“, sagt Ringwald. Für die privaten Initiativen, die sich bislang engagieren, sei die Suche auch in Kirchheim zermürbend.

Was in Kirchheim noch Wunschdenken ist, wird in Nürtingen bereits praktiziert. Die evangelische und katholische Kirchengemeinde treten hier nämlich als Zwischenmieter auf. „Wir haben einige Wohnungen vermittelt und auch ein Haus angemietet“, sagt der katholische Pfarrer Martin Schwer. Trotz des enormen Verwaltungsaufwandes, sehe man sich in der Pflicht. Denn als Kirche schaffe man Vertrauen bei den Vermietern. „Durch unsere Kontakte sind auch direkte Mietverhältnisse entstanden“, betont Schwer.