Menschenrechtsanwälte wollen die EU wegen ihrer Flüchtlingspolitik vor den Internationalen Strafgerichtshof bringen. Das ist ein verständlicher, aber wohl nur symbolischer Schritt, kommentiert Rainer Pörtner.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Es war eine Kampfansage an die Despoten dieser Welt: Wer Völkermord, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht, soll nicht straffrei bleiben. Dafür arbeitet seit 2003 der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag – als unabhängiges, überstaatliches Gericht. Jetzt wollen Menschenrechtsanwälte erreichen, das die Europäische Union vor diesem Gerichtshof angeklagt wird. Denn Brüssel sei mit verantwortlich für das Massensterben im Mittelmeer sowie Versklavung, Folter und Ermordung von Flüchtlingen in Libyen. Weil die EU den Rücktransport Zehntausender Geflohener durch die libysche Küstenwache fördere, begehe sie ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

 

Macht siegt über das Recht

Die juristischen Chancen des Vorstoßes dürften gering sein. Trotz guter Absichten ist der Strafgerichtshof weitgehend wirkungslos. Dies gilt insbesondere, wenn nicht die Untaten gestürzter Diktatoren oder geschlagener Warlords zu ahnden sind, sondern die Verbrechen von weiterhin Mächtigen – zum Beispiel westlicher Staaten und ihrer Verbündeten. Die Anzeige der Anwälte ist deshalb vor allem ein symbolischer Akt: Sie wirft ein Schlaglicht auf das Mitwirken der EU am Flüchtlingselend in Nordafrika. Wir Europäer laden hier schwere Schuld auf uns – wenn nicht juristisch, so doch moralisch.