Der Dauerkonflikt zwischen AfD-Stadtrat Heinrich Fiechtner und den anderen Fraktionen erreicht einen neuen Höhepunkt. Grünen-Stadtrat Jochen Stopper fordert den Ältestenrat auf, sich des Problems anzunehmen.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Konflikte zwischen der Mehrheit des Sozialausschusses und AfD-Stadtrat Heinrich Fiechtner hatte es schon mehrfach gegeben. Die Debatte am Montag zur Flüchtlingsunterbringung endete nun aber mit einem handfesten Eklat. Nachdem Fiechtner die ganze Diskussion als „Groteske“, als „Satirestück Flüchtlinge“ und einen „Anschlag auf das deutsche Volk“ genannt hatte, stimmte der Rest des Gremiums per Antrag entnervt dafür, den Tagesordnungspunkt zu beenden. Jochen Stopper (Grüne) nannte Fiechtners Umgang mit dem Gremium „verantwortungslos und nicht mehr erträglich“.

 

Gilt der Stuttgarter Weg in der Flüchtlingspolitik noch?

Angefangen hatte die Debatte kritisch, aber sachlich. CDU-Stadtrat Thomas Fuhrmann hatte angesichts der Pläne für weitere Systembauten der sechsten Tranche moniert, mit 400 Plätzen pro Asylunterkunft „verlassen wir ein Stück weit den Stuttgarter Weg“. Bisher hatte man eine Obergrenze von rund 250 Plätzen vorgesehen. Dezentralität sei auch nicht mehr gegeben, in Hofen entspreche die Zahl der Flüchtlinge dann zehn Prozent der Bevölkerung im Stadtteil. Und dass die dort geplanten Bauten nicht wenigstens etwas abgerückt und nicht an der Straße errichtet werden sollen, was man im Stadtteil wünscht, weil an der Stelle Eidechsen vorkommen, hält Fuhrmann von der Verwaltung auch artenschutzrechtlich noch nicht ausreichend begründet. Auch bei dem „extrem umstrittenen“ Gebiet Schlotwiesen in Zuffenhausen hält der CDU-Stadtrat es für geboten, nochmals Alternativen zu prüfen und gegebenenfalls mehrere kleinere Unterkünfte zu bauen. Andreas Winter, der Fraktionschef der Grünen, ist der Auffassung, dass die Stadt auch mit der sechsten Tranche „den Stuttgarter Weg nicht verlässt“. Die höhere Zahl sei wegen der gestiegenen Zuweisungen „gerechtfertigt“ und noch vertretbar. Zumal auf 400 Personen sechs hauptamtliche Betreuer kämen und man bei größeren Einheiten „Synergieeffekte“ bekomme. Im Übrigen seien andernorts, etwa im Feuerbacher Schelmenäcker, die zuvor gehegten Befürchtungen nicht eingetroffen. Für die SPD stellte Maria Hackl fest, dass man mit den neuen Unterkünften „nicht mehr alle Kriterien“ des Stuttgarter Weges erfülle. Was die Eidechsenpopulation in Hofen anlangt, bittet die SPD zu prüfen, „ob die Eidechsen nicht umziehen können“. Und wegen der Erhöhung der Platzzahl in den Heimen möchte die SPD „flankierende Maßnahmen“, so einen zusätzlichen Gemeinschaftsraum in den Gebäuden, mehr pädagogisches Personal und dazu einen zusätzlichen „Kümmerer“ für jeden dieser Standorte.

Ratsdebatte als „Groteske“?

Hannes Rockenbauch von SÖS-Linke-Plus sagte, dass man angesichts der dramatischen Notlage der Flüchtlinge helfen müsse. Für die Unterkünfte forderte er eine bessere personelle Ausstattung. In Anspielung auf AfD-Chefin Frauke Petry sagte Rockenbauch, „die rechten Fischer von der Petri-Heil-Fraktion“ versuchten den Eindruck zu erwecken, als wäre eine Stadt wie Stuttgart „mit 7000 Neubürgern“ überfordert, was nicht der Fall sei.

Der „Linksextremist“ Rockenbauch, wie Heinrich Fiechtner ihn gerne nennt, war einmal mehr eine der Zielscheiben des AfD-Stadtrats, dem er wie anderen Rednern „Wohlfühlparolen“ vorwarf. Diese kämen ihm vor „wie das Orchester auf der sinkenden Titanic“, das trotzdem weiterspielt. Als bloße „Groteske“ und als „Satire“ bezeichnete Fiechtner die Debatte in dem Ausschuss, da es sich bei den hier ankommenden Menschen „in der Regel gar nicht um Flüchtlinge handelt“. Es gehe deshalb also auch nicht um deren Integration, sondern darum, diese „sicherzustellen“ und „zurück in ihre Heimat“ zu bringen.

Grünen-Stadtrat ruft den Ältestenrat an

Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) forderte Fiechtner dreimal auf, sich konkret zum Thema zu äußern und Verunglimpfungen, Unterstellungen und Verdächtigungen zu unterlassen. Da platzte Jochen Stopper schließlich der Kragen. Er nannte Fiechtner einen „geistigen Brandstifter“, der ständig versuche, „ein demokratisches Gremium lächerlich zu machen“. Mit keinem Wort bemühe er sich um Problemlösungen auf kommunaler Ebene. Auch Thomas Fuhrmann betonte, dass dies aber nach der Gemeindeordnung die Aufgabe des Gremiums sei. Stopper hält es angesichts der andauernden Konflikte für geboten, dass der Ältestenrat sich mit der Sache befasst. Stopper: „So kann es nicht mehr weitergehen.“ Um dem ausufernden Schlagabtausch ein Ende zu bereiten, stellte CDU-Stadträtin Beate Bulle-Schmid den Antrag, diese sofort zu beenden.