Der Stuttgarter Gemeinderat hat den Weg frei gemacht für weitere Flüchtlingsunterkünfte. Das gefällt manchen Bürgern nicht, wie zum Beispiel in Feuerbach. Ebenso groß ist allerdings die Hilfsbereitschaft.

Stuttgart - Vorweihnachtlich versöhnlich ist die Stimmung in Feuerbach nicht gewesen. Die Anwohner des Gebietes Schelmenäcker-Süd haben ihre Bedenken gegen den Neubau einer größeren Flüchtlingsunterkunft in dieser Woche im Bezirksbeirat noch einmal bekräftigt. „Was uns stört, ist die extreme Nähe des Flüchtlingsheims zur Wohnbebauung. Bei 156 Flüchtlingen wird nicht viel Privatsphäre für die Bürger übrig bleiben“, sagt ein Anwohner – und spricht damit für viele Nachbarn. Entladen hat sich die Empörung der Menschen nicht nur in der Sitzung des Bezirksbeirates, sondern auch am Bauzaun. Der war mit Klopapier umwickelt und mit zahlreichen Transparenten behängt worden. Tenor: es reicht, kein zweiter Bau.

 

Erhört worden sind die Feuerbacher Anwohner nicht. Am Mittwoch hat der Verwaltungsausschuss des Gemeinderats mit breiter Mehrheit die Tranche drei der Flüchtlingsunterbringung beschlossen. Im nächsten Jahr werden demnach 561 neue Plätze an vier Standorten geschaffen. Neu gebaut wird im Gebiet Ruckenäcker in Botnang (156 Plätze) und im Gebiet Steinröhre in Hausen auf einem ehemaligen Sportgelände (243 Plätze). Größer gebaut als bisher vorgesehen wird im Lautlinger Weg in Möhringen (84 zusätzliche Plätze) und im Schelmenäcker-Süd in Feuerbach (78 Plätze mehr). Der Bezirksbeirat Botnang hat die Pläne bereits einstimmig begrüßt, in Weilimdorf gab es eine Gegenstimme.

In Möhringen plant der Freundeskreis Sprachkurse

In Möhringen plant der Bezirksvorsteher Jürgen Lohmann zusammen mit Ehrenamtlichen eine kleine Begrüßungsfeier für die Flüchtlinge, die am 29. Dezember in den ersten Bau einziehen werden. „Wir wollen warme Getränke anbieten und die Menschen willkommen heißen“, sagt Lohmann. Die Pläne des Freundeskreises, der inzwischen auf 80 Menschen angewachsen ist, gehen weiter: Sind die Flüchtlinge erst einmal im Lautlinger Weg, dann soll es eine Hausaufgabenbetreuung und Sprachkurse geben. Die Ehrenamtlichen haben Spielzeuge sowie Kleidung gesammelt und eingelagert, die Möhringer Firma KuKuK hat zugesagt, mit den Flüchtlingen und den Ehrenamtlichen einen Spielplatz vor der Unterkunft zu entwerfen und zu bauen. Jürgen Lohmann macht aber auch deutlich: Bei den jetzt geplanten 159 Plätzen müsse es bleiben. „Sonst besteht die Gefahr einer Gettoisierung.“

Den Anwohnern in Feuerbach geht die jetzige Verdoppelung auf 156 Plätze zu weit. „Integration kann nur gelingen, wenn wenige Flüchtlinge in ein Wohngebiet ziehen“, sagt ein Vertreter der Interessengemeinschaft Schelmenäcker-Süd. Schon jetzt ist abzusehen, dass die Anwohner im Anhörungsverfahren Einwendungen erheben werden, auch eine Klage ist nicht ausgeschlossen. Stuttgarts Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) machte in der Sitzung des Verwaltungsausschusses angesichts der Proteste unmissverständlich klar: „Wir wollen nicht auf Notübernachtungsplätze in Turnhallen und Zeltstädten zurückgreifen, wir wollen die Flüchtlinge in würdiger Form unterbringen.“

Föll kritisiert Ton in Flugblättern und E-Mails

An die Adresse der Anwohner, die in Mails beispielsweise die Befürchtung geäußert hatten, dass ihre Kinder nicht mehr sicher zur Schule kommen könnten, richtete Föll eine deutliche Ermahnung. „Wir haben Verständnis für die Sorgen, aber Inhalt und Ton in einigen Flugblättern sind über die Grenze des Erträglichen hinausgegangen.“ Noch schärfer ins Gericht ging Föll mit Lothar Maier, dem Stadtrat der Alternative für Deutschland (AfD), der in seinem Statement zuvor von einem „Kult der gewaltsamen Lösung in arabischen Ländern“ gesprochen und davor gewarnt hatte, dass es Flüchtlinge gebe, die diese Ideologie mitbrächten. „Solche Behauptungen aufzustellen, ist brandgefährlich“, so Föll.

Der Protest aber ist nur eine Seite in Feuerbach, es gibt auch eine andere. Auch dort hat sich ein Freundeskreis Flüchtlinge zusammengefunden, der den Menschen helfen will, die 2015 in die Unterkunft Schelmenäcker-Süd ziehen werden. „Wir wollen die Flüchtlinge begleiten, aber auch die Nachbarn mit einbinden“, sagt deren Sprecher Wolf-Dieter Dorn.

Werner Baumgarten, seit vielen Jahren Asylpfarrer der evangelischen Kirche, nimmt das Grummeln in Feuerbach ebenfalls wahr und erinnert sich an Proteste gegen Flüchtlingsheime in den 1990er Jahren. Er sagt aber: „Wir haben eine so positive Grundstimmung gegenüber Flüchtlingen und einen so breiten Konsens im Gemeinderat, das ist erfreulich.“ Armin Albrecht, der bei der Eva für Migration zuständig ist, versichert: „In den Unterkünften, die wir betreuen, spüren wir nur Rücken- und keinen Gegenwind. Ich befürchte nicht, dass die Stimmung kippen könnte.“