Serkan Eren aus Degerloch und seiner Stuttgarter Freunde Steffen Schuldis und Tobias Radulescu fahren mit einem Sprinter auf den Balkan, um Hilfsgüter zu den Flüchtlingen zu bringen.

Degerloch - Sie wissen nicht, was auf sie zukommen wird. Im Kopf haben die drei jungen Männer die Fernsehbilder von den Orten, die einst nur verschlafene Grenzstädtchen auf dem Balkan waren. Heute schauen zum Beispiel im mazedonischen Gevgelija an der Grenze zu Griechenland die Kameraleute internationaler Sender vorbei. Sie suchen die Bilder vom Treck der Kriegsflüchtlinge, die sich zu Tausenden vor der Stadt sammeln, um mit dem Zug weiter nach Serbien zu fahren.

 

Im Sommer liefen die Flüchtlinge durch den Staub. Jetzt im Herbst waten sie durch den Matsch, und wer weiß, wann der nahende Winter Schnee bringen wird. Serkan Eren aus Degerloch und seine Stuttgarter Freunde Steffen Schuldis und Tobias Radulescu glauben im Moment nicht, dass ihre Reise ins mazedonische Gevgelija führen wird. Sicher sei nichts, da sich die Situation an den Grenzen auf dem Balkan ständig ändern könne, sagt Schuldis. Im Moment planen sie aber, sich am Ende ihrer Fahrt der mazedonisch-griechischen Grenze von der anderen Seite her zu nähern. In Nordgriechenland hätten sie Kontakt zu griechischen Hilfsorganisationen, sagt Eren.

Hilfsgüter für Kinder

An der Grenze selbst harren die Flüchtlinge unter freiem Himmel aus, bis sie weiter nach Mazedonien ziehen können. An dieser Stelle wollen Eren und seine beiden Freunde ihren Sprinter abstellen und warme Kleidung verteilen. „In erster Linie haben wir Sachen für Kinder“, sagt Steffen Schuldis. Die drei jungen Männer haben auch Tüten gepackt mit Kleinigkeiten für die Kinder. „Wir wollen, dass sie sich vielleicht auch mal wieder freuen“, sagt Serkan Eren. Medikamente, wie ursprünglich geplant, haben sie aber nicht ihrem Sprinter dabei. „Der Großhandel arbeitet nur mit den großen Hilfsorganisationen zusammen und den Apothekern war es einfach zu heikel“, sagt Serkan Eren.

Alles, was die drei Männer in ihren Sprinter packen, wurde gespendet. Eren und Radulescu arbeiten an Schulen, Schuldis in einem Betrieb. Sie haben bei Kollegen gesammelt. Aber noch mehr geholfen habe ihre Seite auf dem sozialen Netzwerk Facebook, sagt Tobias Radulescu. „Die meisten Leute, die etwas gespendet haben, kennen wir gar nicht“, sagt er. „Da waren Leute vom Hartz-IV-Empfänger bis zum S-Klasse-Fahrer mit dabei“, ergänzt Serkan Eren. Mit den Gütern wollen sie nun eine Woche auf dem Balkan unterwegs sein und an verschiedenen Punkten auf der Flüchtlingsroute Halt machen. Über Österreich soll es nach Ungarn gehen. Das Land war im Sommer in den Schlagzeilen, weil es einen Grenzzaun an der Grenze zu Serbien errichtet hat, nachdem Tausende auf dem Budapester Keleti-Bahnhof gestrandet waren.

Die Lage ändert sich rasch

Von Ungarn wollen sie weiterfahren nach Serbien. Das Land ist immer noch eine wichtige Transitstation für die Flüchtlinge. Im Moment geht es von Serbien weiter in das EU-Land Kroatien und von dort nach Slowenien. Dann sind die Flüchtlinge schon fast in Österreich, das die drei Helfer zuerst durchfahren wollen. Vieles sei noch nicht sicher, sagt Tobias Radulescu. Wo sie haltmachen und Hilfsgüter verteilen werden, entscheide die aktuelle Lage. „Und die ändert sich schnell“, sagt Radulescu.

Unsicher sind die Helfer auch, wie die Behörden in den meist nicht zur EU gehörenden Balkanländern auf die private Aktion reagieren werden. „Wir sind von Leuten vor Ort über Facebook auch schon gewarnt worden, dass wir von Grenzpolizisten verhaftet werden könnten“, sagt Serkan Eren.

Sorge vor der Konfrontation mit dem Elend

Nervös mache ihn auch, wie er und seine Freunde auf das Elend reagieren werden, das ihnen bald ganz nah kommen wird. Sie seien zwar alle viel gereist und nicht die Typen für einen Strandurlaub. „Ich bin zum Beispiel mal in Israel durch die Wüste gewandert. Wir haben alle schon verrückte Sachen gemacht. Aber das wird etwas ganz anderes“, sagt Serkan Eren.

Die Frage, warum die drei Männer die Unwägbarkeiten, vielleicht auch Risiken einer solchen Hilfsaktion in humanitäres Krisengebiet auf sich nehmen, beantwortet Steffen Schultis mit einem Wort: Pflicht. Der Heslacher begründet diese gefühlte persönliche Verpflichtung mit Mitmenschlichkeit. Bei Serkan Eren klingt die gleiche Argumentation noch etwas philosophischer. „Ich habe vor meiner Geburt keinen Test bestanden, der mich dazu berechtigt, hier geboren zu werden, während andere so viel leiden müssen“, sagt er.

Mitverantwortung des Westens für Krise

Tobias Radulescu bringt noch einen politischen Grund ins Spiel: Den Waffenhandel. „Wir tragen mit unseren Rüstungslieferungen doch Verantwortung für das Blutvergießen“, sagt Radulescu.

Dennoch, um eine politische Botschaft gehe es nicht bei der Aktion, betont Tobias Radulescu. „Wer gegen unsere Fahrt etwas hat, der hat etwas dagegen, dass wir Kindern helfen wollen“, sagt er.