Auf Drängen von Horst Seehofer hatte die Union beschlossen, den „Soli“ bis 2029 stufenweise abzuschaffen. Jetzt stellt der CSU-Chef diesen Plan infrage - wegen des Flüchtlingszuzugs. Die SPD nennt das Manöver durchsichtig, die FDP schäbig.

München/Berlin - CSU-Chef Horst Seehofer hat wegen der Flüchtlingskosten die Unionspläne für eine schrittweise Abschaffung des Solidarzuschlags infrage gestellt. „Wir haben seit der Grenzöffnung im September eine neue Situation“, sagte der bayerische Ministerpräsident.

 

Das sei keine Absage an die Forderung nach einem Ende des „Soli“. „Aber wir müssen einfach einen Kassensturz machen mit dem Ziel, herauszufinden, was können wir uns noch leisten? Wenn wir die Zuwanderung nicht begrenzen, werden wir keinen Spielraum haben.“

CDU und CSU hatten sich im Frühjahr auf Drängen Seehofers darauf verständigt, den „Soli“ von 2019 bis 2029 schrittweise abzuschaffen. Der CSU-Chef sprach damals von der „größten Steuersenkung aller Zeiten“. Inzwischen wird aber damit gerechnet, dass sich die Kosten für Flüchtlinge und Integration in den nächsten Jahren vervielfachen.

„Einigkeit der Union nur billige Fassade“

Die SPD wertete die Gedankenspiele des CSU-Chefs als durchsichtiges Manöver. „Seehofer macht überdeutlich, dass die Einigkeit der Union nur billige Fassade ist. In Wirklichkeit gibt es keine gemeinsame Linie in der Union - weder in der Flüchtlingspolitik noch anderswo“, sagte SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel. FDP-Chef Christian Lindner nannte es „geradezu schäbig, die Beibehaltung des Solidaritätszuschlags mit Flüchtlingen zu begründen“. Das Bundesfinanzministerium und die CDU wollten den Vorstoß nicht kommentieren.

Der „Soli“ wurde kurz nach der deutschen Einheit eingeführt und sollte den Aufbau im Osten mitfinanzieren. Er wird heute mit 5,5 Prozent auf die Einkommenssteuer und die Unternehmenssteuern aufgeschlagen und bringt zurzeit rund 13 Milliarden Euro im Jahr ein. „Wenn die Zuwanderung im bisherigen Ausmaß anhält, liegt es auf der Hand, dass eine Reduzierung der Einnahmen kaum möglich sein wird“, sagte Seehofer der dpa. „Auch dieses Beispiel zeigt, wie dringend eine deutliche Begrenzung der Zuwanderung ist.“

Auf angedrohte Verfassungsklage vorerst verzichten

Auf die angedrohte Verfassungsklage zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen in Deutschland will Bayern vorerst verzichten. „Wir haben jetzt eine Verständigung mit der CDU. Deshalb steht für den Moment die Umsetzung im Vordergrund und nicht das gegenseitige Beklagen“, sagte Seehofer. „Wir werden jetzt sehen, was die Bemühungen der Kanzlerin auf internationaler und europäischer Ebene bringen. Da kann man jetzt nicht ein festes Datum setzen.“

Die deutsche Rentenversicherung (DRV) verweist dagegen auf die Vorteile von Zuwanderung. Nach Angaben von DRV-Präsident Axel Reimann ist die Zahl der Beitragszahler ohne deutschen Pass allein von Ende 2013 bis Ende 2014 um rund 300 000 auf 3,1 Millionen gestiegen. „Damit hat gut jeder Zehnte der insgesamt 29,4 Millionen rentenversicherungspflichtig Beschäftigten eine ausländische Staatsangehörigkeit“, sagte Reimann der „Rheinischen Post“ (Samstag).

Der DRV-Präsident hält es für möglich, dass der demografische Wandel durch die hohe Zahl der Flüchtlinge in Zukunft gemildert wird: „Über Zuwanderung werden wir die sich aus der demografischen Entwicklung ergebenden Lücken sicher nicht komplett ausgleichen können, eine Entlastung kann es aber schon geben.“