Mit seinem Vorstoß, den Familiennachzug für Syrien-Flüchtlinge zu verhindern, hat Innenminister Thomas de Maizière (CDU) neuen Streit in der Koalition ausgelöst. Kanzleramtsminister Peter Altmaier will davon zuvor nicht informiert worden sein.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Trotz der Bemühungen des Kanzleramts, die Debatte zu beenden, hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) dem Streit über eine mögliche Schlechterstellung syrischer Flüchtlinge am Sonntag neue Nahrung verschafft. „Ich halte es für richtig, auch bei Syrern wieder in jedem Einzelfall zu prüfen, welcher Schutzstatus angemessen ist, statt pauschal zu verfahren“, betonte de Maizière gegenüber dem Fernsehsender n-tv.

 

Bisher wird Flüchtlingen aus Syrien meist der volle Flüchtlingsstatus mit dreijährigem Aufenthaltsrecht und der Möglichkeit des Familiennachzugs zuerkannt. In seinem Vorstoß, diese Praxis auszusetzen, wurde de Maizière gestoppt. Sowohl Kanzleramtsminister Peter Altmaier als auch Vize-Kanzler Sigmar Gabriel und Regierungssprecher Steffen Seibert betonten, dass es bei der bisherigen Praxis bleibe. In einem Deutschlandfunk-Interview am Samstag hat Altmaier, den Kanzlerin Angela Merkel zum Koordinator der Flüchtlingspolitik bestimmt hat, offengelegt, dass er von de Maizières Vorstoß nicht informiert gewesen sei. Er habe davon erst durch einen Anruf Gabriels erfahren, sagte Altmaier. Entscheidend sei aber: de Maizière habe schnell klargestellt, dass es keine einseitigen Änderungen geben werde. SPD-Chef Gabriel nannte es „klug“, dass de Mazière die ohne Absprache getroffene Maßnahme zurückgenommen habe. In seinen Augen sei sie damit erledigt.

Rückhalt von den Fachpolitikern der Union

Trotz Intervention von Kanzleramt und SPD hält de Maizière aber an seinem Kurs fest. „Damit der Familiennachzug begrenzt wird, müssen wir, wie in der Koalition verabredet, ein Gesetz ändern. Schon jetzt ist es so, dass wir so viele Anträge haben, dass wir keinerlei Hoffnung machen können, dass Anträge auf Familiennachzug schnell beschieden werden“, betonte er beim Sender n-tv. Deshalb sei schon jetzt ein Bremszeichen gesetzt worden. „Die Zahl der Flüchtlinge ist so hoch, wir können nicht noch ein Vielfaches an Familienmitgliedern aufnehmen“, bekräftigte er.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat de Maizières Vorschlag am Sonntag begrüßt. „Thomas de Maizière hat recht. Wir müssen wieder nach dem Gesetz handeln und den Flüchtlingsstatus jedes Syrers genau prüfen“, sagte Seehofer der „Süddeutschen Zeitung“. Er forderte, Flüchtlingen aus Syrien nicht mehr generell Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention zu gewähren. Rückendeckung erhält der Innenminister auch von Innenpolitikern der Union und der CSU-Landtagsfraktion. Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach betonte, die Fachpolitiker der Union stünden geschlossen hinter de Maizière. Der liege „mit seinen Vorschlägen vollkommen richtig“, sagte der CSU-Innenexperte Stephan Mayer. CSU-Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer forderte, de Maizières Position sofort anzuwenden. Er könne die Haltung der SPD nicht mehr nachvollziehen, sagte er: „Wer in Deutschland glaubt, dass wir den Familiennachzug von drei oder vier Millionen Menschen pro Jahr schultern können?“

Grüne sprechen von einem „Putsch“

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch übte scharfe Kritik an SPD-Chef Gabriel. Der habe im „Schaukampf um Transitzonen versus Einreisezentren“ einen „Pyrrhussieg“ errungen. „Es wird immer deutlicher, dass die Einschränkung des Familiennachzugs für möglichst viele Flüchtlingsgruppen eines der Kernziele der jüngsten Asylrechtsverschärfungen der großen Koalition ist“, betonte Bartsch. Gabriel habe dazu die Tür geöffnet, obwohl er wusste, dass die Union dies für deutlich mehr Flüchtlinge anstrebe als zunächst eingeräumt.

Einen Bericht der „Welt am Sonntag“, wonach die deutschen Sicherheitsbehörden sich darauf vorbereiteten, dass die Balkanstaaten ihre Grenzen schließen und es dann zu einem Sturm der Flüchtlinge auf die Grenzen kommen könne, wies das Innenministerium auf Anfrage zurück. Zwar existiere ein vertrauliches Lagebild des Gemeinsamen Analyse- und Strategiezentrums illegale Migration (Gasim), in dem abstrakt verschiedene Szenarios durchdekliniert würden. „Von konkreten Pläne zur Grenzschließung auf dem Balkan haben wir keine Kenntnis“, sagte ein Sprecher.