Laut einem Medienbericht kommen in diesem Jahr bis zu 1,5 Millionen Flüchtlinge nach Deutschland. Führende Genossen beginnen, Kritik an Bundeskanzlerin Merkel zu äußern. Sie bleiben dabei aber ganz bewusst im Vagen.

Berlin - Angesichts der unverändert hohen Flüchtlingszahlen wachsen die Spannungen in der Koalition. Zwar hat die Regierung die von der „Bild“-Zeitung kolportierte Zahl von bis zu 1,5 Millionen Flüchtlingen in diesem Jahr nicht bestätigt. An die zurzeit noch gültige Regierungsprognose von 800 000 Flüchtlingen glaubt aber sowohl im Unions- als auch im SPD-Lager ohnehin keiner mehr. Die Sorge ist groß, dass diese Entwicklung in den kommenden Monaten kein Ende nimmt.

 

Deshalb steigt der Druck auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Die CSU stellt seit Wochen ihre Autorität in Frage und fordert eine Begrenzung des Zuzugs bis hin zu einer Änderung des Asylrechts im Grundgesetz. Merkel hat dies bisher stets abgelehnt, zuletzt am Wochenende im Deutschlandfunk.

Die SPD sieht die Grenzen des Möglichen erreicht

Die SPD spielt ein doppeltes Spiel. Vordergründig nimmt sie Merkel in Schutz vor den wüsten Attacken aus München. „Ich könnte es mir leicht machen und als SPD-Vorsitzender die CDU-Kanzlerin kritisieren“, sagte der SPD-Chef Gabriel. „Aber die Wahrheit ist doch: das alles hat wenig mit Frau Merkel zu tun.“ Zugleich sagte Gabriel aber auch, dass wir uns „mit rasanter Geschwindigkeit den Grenzen unserer Möglichkeiten nähern.“

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann war weniger rücksichtsvoll. Er forderte Merkel auf, „deutlich zu sagen, dass mit einer Million Flüchtlinge unsere Möglichkeiten bei der Aufnahme nahezu erschöpft sind“. Es gebe „Grenzen der Aufnahmekapazität“, so Oppermann. Auch die SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die im Frühjahr in Rheinland-Pfalz eine Landtagswahl zu bestehen hat, äußerte sich unmissverständlich: „Ich fordere von der Bundeskanzlerin eine schlüssige Antwort und Taten, wie wir den verstärkten Zustrom von Flüchtlingen begrenzen.“

Die SPD will die Kanzlerin an ihren Worten messen

Postwendend regte sich zwar vereinzelt Kritik im linken Lager der SPD. Diese wird aber wohl verhalten bleiben, solange die SPD-Spitze das Grundrecht auf Asyl nicht in Frage stellt. Am Grundgesetz wollen jedoch weder Gabriel noch Oppermann rütteln. Die Antwort auf die Frage, wie denn die von ihnen geforderte Eindämmung des Zuzugs ohne Grundgesetzänderung rasch erreicht werden kann, überlässt die SPD der Kanzlerin. Sie soll sich an dem Versprechen messen lassen, das sie Anfang September gegeben hat: „Wir schaffen das!“

Bei einer Telefonkonferenz des SPD-Präsidiums am Sonntagmorgen wurde denn auch dem Vernehmen nach keine Kritik an den Äußerungen von Gabriel, Oppermann und Dreyer geäußert. Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte am Montag: „Das Grundrecht auf Asyl ist nicht verhandelbar.“ Es sei ja richtig, dass man „die Aufnahmekapazität nicht aus den Augen verlieren“ dürfe, so Fahimi. Der Zustrom müsse aber dadurch gebremst werden, dass die EU sich auf Kontingente einige und ihre Außengrenzen besser kontrolliere. Außerdem müssten Fluchtursachen beseitigt und die katastrophalen Zustände in den Flüchtlingslagern in der Nachbarschaft zu Syrien verbessert werden. Zu guter Letzt stehe Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in der Pflicht, endlich die Asylverfahren zu beschleunigen.