Während tausende Flüchtlinge weiterhin auf der Balkanroute Richtung Mitteleuropa ziehen, werden Rufe nach internationaler Unterstützung laut. US-Außenminister Kerry spricht von einer „humanitären Katastrophe“ in Europa.

Berlin/Budapest/Wien - Deutschland und Österreich fordern mehr Geld der internationalen Gemeinschaft zur Unterstützung syrischer Flüchtlinge im Nahen Osten. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann und der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel nannten am Samstag in Wien eine Summe von fünf Milliarden Euro. Wenn die Europäische Union jetzt nicht Geld in die Hand nehme, „dann werden sich noch mehr Menschen auf den Weg machen“, sagte Gabriel bei einem Treffen führender europäischer Sozialdemokraten. Die USA und Saudi-Arabien sollen sich an dem Programm beteiligen, stimmte er mit Faymann überein.

 

US-Außenminister John Kerry nannte die Situation der Flüchtlinge in Europa eine „humanitäre Katastrophe“. Die Aufnahme von 10 000 syrischen Flüchtlingen in den USA sei nicht genug, sagte er dem britischen Sender Channel 4. „Wir schauen uns andere Optionen an, es ist dringend“, fügte er hinzu. Der US-Außenminister machte jedoch auch deutlich: „Man kann das nicht lösen, indem man einfach die Leute ins Land lässt.“ Kerry wird am Sonntag in Berlin erwartet.

Appell an die EU-Regierungschefs

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mahnte eine europäische Lösung an: „Es kann nicht sein, dass bei den ankommenden Hunderttausenden von Flüchtlingen am Ende sich nur vier Länder in Europa verantwortlich fühlen - Italien, Österreich, Deutschland und Schweden“, sagte Steinmeier in Magdeburg. „Es muss eine gemeinsame europäische Antwort auf dieses Flüchtlingsthema geben.“

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), appellierte an die EU-Regierungschefs, bei ihrem für Mittwoch geplanten Gipfel endlich die versprochenen sieben Milliarden Euro zur Flüchtlingsbetreuung im Nahen Osten freizugeben. „Das Geld muss noch in dieser Woche fließen“, sagte Schulz bei einem SPD-Kongress in Kiel. Er verwies auf die Flüchtlingslager in der Türkei, im Libanon und Jordanien mit mehreren Millionen Menschen.

Die Wanderung der Flüchtlinge in die Mitte Europas nimmt indes kein Ende. Die ungarischen Behörden zählten bis Samstagmittag knapp 9000 Flüchtlinge, die innerhalb von zwei Tagen von Kroatien nach Ungarn gekommen waren. Das EU-Land hatte am vergangenen Dienstag seine Grenze zu Serbien für Flüchtlinge nahezu hermetisch geschlossen. Seither gibt es einen durchgehenden Grenzzaun, die Flüchtlinge etwa aus Nahost weichen deshalb nach Kroatien aus.

Zunehmende Überforderung

Ungarns südlicher EU-Nachbar hatte am Freitag erklärt, den Andrang an Menschen nicht mehr bewältigen zu können. Bis Samstag 11.00 Uhr kamen 20 737 Flüchtlinge nach Kroatien, wie das Innenministerium mitteilte. Autobusse und Züge brachten Tausende Flüchtlinge direkt zu den ungarischen Grenzübergängen. Die Menschen stiegen dort in ungarische Autobusse und Züge um. Diese brachten sie zu Sammelstellen und Flüchtlingslagern nahe der österreichischen Grenze. Andere Flüchtlinge harrten an der kroatisch-slowenischen Grenze aus.

Dort zählte die österreichische Polizei bis Samstagmorgen 6700 Ankommende an den zwei wichtigsten Grenzübergängen im Burgenland, wie der österreichische Rundfunk ORF meldete. An Deutschlands Südgrenze kamen indes weniger Menschen an als zuletzt: Die Bundespolizei zählte am Freitag an der deutsch-österreichischen Grenze in Ober- und Niederbayern rund 4000 ankommende Flüchtlinge, etwa 2700 weniger als am Vortag. Zudem wurden den Angaben nach insgesamt elf Schleuser festgenommen. Da am Samstag zum Auftakt des Oktoberfestes zahlreiche auswärtige Besucher in München erwartet werden, wollten die Behörden Züge mit Flüchtlingen um die Landeshauptstadt herumleiten.