In seiner Regierungserklärung zur Flüchtlingskrise hat Winfried Kretschmann deutlich gemacht, dass es Grenzen bei der Flüchtlingsaufnahme gibt. Derweil lobte er die Hilfsbereitschaft der Südwest-Bürger und sprach von „fördern und fordern“ von Flüchtlingen.

Stuttgart - Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sieht für eine erfolgreiche Integration in Deutschland auch die Flüchtlinge selbst in der Pflicht. „Integration fordern und Integration fördern, das ist - auf eine Formel gebracht - unsere Leitlinie“, sagte der Politiker am Donnerstag in seiner Regierungserklärung im Stuttgarter Landtag. Die Flüchtlinge müssten dazu selber Leistungs- und Verantwortungsbereitschaft zeigen. So gebe es bei der Religionsfreiheit oder der Gleichberechtigung von Mann und Frau „keine Rabatte“. Zugleich sei es wichtig, Integrationskurse auszubauen und die jungen Flüchtlinge in Kitas und Schulen zu fördern. „Jeder investierte Euro hier wird sich dreimal auszahlen.“

 

Die Opposition warf Kretschmann Versagen als Krisenmanager vor und warnte davor, die Gesellschaft mit der Aufnahme von Flüchtlingen zu überfordern. „Sie reagieren, aber sie agieren zu wenig“, sagte der CDU-Herausforderer zur Landtagswahl im März 2016, Guido Wolf. „Sie sind unverändert ein Getriebener.“ Die Menschen sorgten sich angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen. „Diese Sorgen aufzugreifen und anzusprechen, hat nichts mit dem Schüren von Ängsten zu tun. Das bedeutet schlicht und einfach, sich um die Menschen zu kümmern.“

Wolf und FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke forderten die grün-rote Landesregierung auf, den Worten auch Taten folgen zu lassen. So müssten deutlich mehr abgelehnte Asylbewerber auch abgeschoben werden. Rülke sagte, im Jahr 2010 seien von 4753 Flüchtlingen in Baden-Württemberg 843 in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt worden. In diesem Jahr würden 100 000 Flüchtlinge erwartet - bei aktuell 1644 Abschiebungen. „Bei Ihnen hat sich die Flüchtlingszahl verzwanzigfacht, aber die Abschiebungen (haben sich) gerade mal verdoppelt“, sagte Rülke.

Baden-Württemberg nimmt täglich 2000 Flüchtlinge auf

Kretschmann machte deutlich, dass er Grenzen bei der Aufnahme von Flüchtlingen sieht. Weder Baden-Württemberg noch Deutschland würden die steigende Zahl an Schutzsuchenden allein bewältigen können. Es sei auf Dauer nicht tragbar, dass Deutschland und Schweden die Hälfte aller Flüchtlinge in der EU aufnähmen. „Wer sich in Europa der Aufnahme von Flüchtlingen verweigert, der tritt die europäischen Werte mit Füßen, der handelt verantwortungslos, der riskiert ein Scheitern Europas“, mahnte Kretschmann. „Ohne europäische Solidarität und ohne entschlossenes internationales Handeln werden wir eines Tages nicht mehr gefordert, sondern überfordert sein“, meinte er.

Kretschmann lobte die Hilfsbereitschaft der Baden-Württemberger und erteilte dem Hass gegen Ausländer eine Absage. Gegen Brandstifter werde „mit der ganzen Härte des Rechtsstaates“ vorgegangen. Ihnen schrieb er ins Stammbuch: „Die ganz überwiegende Mehrheit in diesem Land ist gegen Euch.“ Er warb zudem um Verständnis, wenn in der Flüchtlingsaufnahme nicht alles rund laufe. „Wir alle arbeiten im Krisenmodus und auf Sicht.“

Baden-Württemberg müsse täglich rund 2000 Flüchtlinge aufnehmen. Die Landeserstaufnahmeeinrichtungen seien mit mehr als 32 000 Menschen überfüllt. Aber: „Wir können es schaffen, wenn wir die Sache mutig, pragmatisch und realistisch angehen“, sagte Kretschmann.