Stark ansteigende Flüchtlingszahlen und Proteste aus den Bundesländern zwingen die Kanzlerin zum Kurswechsel. Und sie sucht schneller als ursprünglich geplant das Gespräch mit den Ministerpräsidenten.

Berlin/Stuttgart - CSU-Chef Horst Seehofer gab sich nach der Sitzung der Parteigremien in München keine große Mühe, Triumphgefühle zu verbergen. Grenzkontrollen, so Bayerns Ministerpräsident, seien „dringend notwendig, um ein regelfreies System wieder zurückzuführen zur Ordnung“. Seehofer sprach von einem „Ausnahmezustand“, weil „seit gut acht Tagen alle Regeln außer Kraft“ gesetzt worden seien, was sich ja nun ändere.

 

In den Tagen vor dem Beschluss, die Grenzen zu kontrollieren, hatte die CSU mit beispielloser Härte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) angegriffen. Äußerungen und Entscheidungen Merkels hatten nach Ansicht der CSU zu einem nie da gewesenen Flüchtlingsstrom geführt. Erst hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, sicher nicht ohne Merkels Einverständnis, für syrische Flüchtlinge die Norm außer Kraft gesetzt, wonach Flüchtlinge im Regelfall in jenen EU-Ländern Asylanträge stellen müssen, die über eine Außengrenze verfügen. Dann sprach Merkel davon, dass es für Asyl keine Obergrenze gebe. In Kombination vermittelten beide Meldungen aus Sicht der CSU den Eindruck, dass alle syrischen Flüchtlinge in Deutschland willkommen seien.

Die Länder wollen mehr Geld

Aber auch in SPD-geführten Ländern wuchs die Sorge, dass die Städte und Gemeinden kollabieren könnten. Schon vor einer Woche hatte zum Beispiel Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) Alarm geschlagen. Die vom Bund versprochenen drei Milliarden Euro reichten schon deshalb nicht aus, weil die Prognosen ständig angehoben werden müssten, nachdem überraschend die Türen geöffnet worden seien.

Um die Lage zu beruhigen stimmte deshalb auch SPD-Chef Sigmar Gabriel bei einem Telefonat mit Seehofer und Merkel am Samstagnachmittag Grenzkontrollen zu. Auch der Forderung der Länderchefs, schon vor dem geplanten Gipfel am 24. September mit der Bundesregierung die Lage zu diskutieren, gab die Kanzlerin nach. Schon heute empfängt sie die Ministerpräsidenten.

Einige grün-rote Vorschläge haben Chancen

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) verlangt bei der Finanzierung der Unterbringung der Flüchtlinge statt der vom Bund vorgesehenen Einmalzahlung eine dauerhafte, strukturelle und dynamische Beteiligung an den Kosten der Länder und Kommunen. „Das wäre gerecht und gewährleistet, dass die Länder nicht jedesmal als Bittsteller zum Bund laufen müssen“, sagte ein Sprecher des Staatsministeriums.

Zufrieden äußerte sich der Regierungssprecher darüber, dass Menschen vom Westbalkan eine Chance auf dem Arbeitsmarkt erhalten sollen – ohne einen Asylantrag stellen zu müssen. Das würde die Asylverfahren erheblich entlasten. Arbeitskräfte würden nicht nur im Fachkräftebereich, sondern auch im Niedriglohnsektor zum Beispiel in der Landwirtschaft oder in der Gastronomie gebraucht. Es sei erfreulich, dass ein solcher Vorschlag der grün-roten Landesregierung in ein Papier der Bundesregierung Eingang gefunden habe.