Das ist neu: Im Streit um eine Neuausrichtung der Asylpolitik steht eine Mehrheit der Unionsfraktion im Bundestag hinter Innenminister Seehofer.

Berlin - Zerschnitten ist das Tischtuch zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer nicht – aber angespannt. Extrem angespannt. Die Unionsfraktion hat am Dienstag getagt, und der Seehofer-Plan zur Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze war das Thema. Der Auftritt der Kontrahenten war mit viel Spannung erwartet worden. Der Showdown wurde vermieden. Die beiden gingen respektvoll miteinander um. Aber zurückgezogen hat niemand.

 

Horst Seehofer sprach zuerst. „Ordnung wieder herstellen“, das ist sein Leitmotiv: Ordnung, Steuerung und Begrenzung. Und falsche Kompromisse lehne er ab, erklärte der CSU-Chef und Bundesinnenminister. Merkel war durchaus um versöhnliche Töne bemüht. „In 62 von 63 Punkten“ des Masterplans zur Asylpolitik, den Seehofer eigentlich am Dienstag hatte präsentieren wollen, sei man einer Meinung, sagte die CDU-Chefin und Kanzlerin. Aber sie müsse eben auch ihrer Verantwortung für Europa gerecht werden. Das müsse sie berücksichtigen.

Merkel verwies auf ihr Gespräch mit dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz am Abend in Berlin. Kurz spielt in der EU eine Schlüsselrolle. Er gilt als Verfechter einer harten Linie in der Flüchtlingsfrage. Sollte es gelingen, dass Merkel und er gemeinsamen Boden finden, könnte eine EU-weite Lösung in Reichweite sein.

Merkel will keine deutschen Alleingänge

Doch Kurz äußerte sich nach dem Gespräch mit Merkel nicht klar dazu. Er wolle sich nicht in die innerdeutsche Debatte einmischen, sagte er, um dann aber doch Zustimmung eher zu Seehofer zu signalisieren. Es müsse beendet werden, „dass Menschen quer durch Europa ziehen“, so Kurz. Er plädierte auch für einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen.

Merkels Botschaft in der Fraktion war klar: Mit ihr wird es keine nationalen Alleingänge geben. Wie das mit Seehofers Position zusammengeführt werden soll, ist offen. Immerhin teilten beide mit, dass es noch in dieser Woche weitere Gespräche geben werde.

Was auffällt: In früheren Konfrontationen zwischen Seehofer und Merkel in der Flüchtlingsfrage standen sich meist feste Blöcke gegenüber: Die CSU auf der einen und zwei Drittel der CDU-Abgeordneten, die fest zu Merkel hielten, auf der anderen Seite. Diesmal sind die Gewichte anders verteilt – zugunsten von Seehofer. Die CSU gibt sich martialisch wie immer. „Wir setzen diesen Punkt durch“, sagt Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Landesgruppe, und das so unmissverständlich, dass jeder Kompromissraum verschlossen wird. Aber so kennt man die CSU ja.

Mehrheit steht hinter Seehofer

Neu ist, dass auch die große Mehrheit der CDU-Abgeordneten Seehofer in der Sache recht gibt. „Ich denke, dass neunzig Prozent in der Fraktion das so sehen wie Seehofer“, sagt die Stuttgarter Abgeordnete Karin Maag, die immer zu den treuen Unterstützern der Kanzlerin gezählt hat. Der CDU-Außenpolitiker Thorsten Frei (Schwarzwald-Baar-Kreis) fasst die Mehrheitsmeinung so zusammen: „Wenn Menschen zu uns kommen, die bereits in einem anderen Land registriert sind und dort einen Asylantrag gestellt haben, dann muss die Zurückweisung doch selbstverständlich sein.“