In einem Geschäftshaus in der Kernstadt sollen 46 Personen untergebracht werden. Der Gemeinderat diskutiert intensiv über die Unterkunft, stimmt aber letztlich dafür. Erst musste er aber noch darüber befinden, wer überhaupt abstimmen darf.

Ditzingen - Die Stadträte sind gebrannte Kinder. In jüngster Zeit hatten sie gleich zwei Gemeinderatsbeschlüsse wegen nachträglich festgestellter Befangenheit einzelner Räte wiederholen müssen. Das sollte ihnen am Dienstag nicht noch einmal passieren. Deshalb musste das Gremium vor der eigentlichen Diskussion über die Unterbringung von Flüchtlingen in der Marktstraße 24 über eine Befangenheit von Konrad Epple entscheiden. Eine Verwandte des Christdemokraten ist Miteigentümerin eines Nachbargrundstücks. Hat sie einen Vor- oder Nachteil, wenn im Geschäftshaus nebenan 46 Flüchtlinge in je zehn Quadratmeter großen Zimmern untergebracht sind? Ja, sagte der Gemeinderat mehrheitlich. Epple nahm also wie sein Fraktionschef, der ebenfalls befangene Rolf Feil nicht an der Diskussion teil.

 

In deren Mittelpunkt stand die Frage, ob sich die Stadt nicht dadurch schadet, dass sie mittelfristig Flüchtlinge im zweiten und dritten Obergeschoss des Geschäftshauses unterbringt. „Das Erdgeschoss ist nicht die Zone, über die wir reden“, präzisierte der Oberbürgermeister Michael Makurath. Für diese Fläche würden Nutzer gesucht, „die sich in die Lage besser einpassen als die, die wir heute haben“. Die Stadt will das Areal städtebaulich aufwerten und hat offenbar schon Mietverträge gekündigt. „Ich tue mich aus diesen Gründen schwer damit“, sagt der Freie Wähler Horst Kirschner. Er könne auch die Anlieger verstehen, dass diese nicht begeistert seien.

Kritik an der Bundespolitik

Makurath stellte das nicht in Abrede, aber sagte eben auch, dass man diese Diskussion an allen Standorten führe. Auf Nachfrage von Ulrike Sautter (Grüne) präzisierte die Verwaltung, dass das Gebäude für rund zehn Jahre umgenutzt werde. Selbst wenn der Staat Zuschüsse für den Umbau gewähre, sei dies aber kein Ausschlusskriterium, noch während der Bindungsfrist die Unterkunft wieder aufzugeben, um die eigentlichen Pläne umzusetzen. Der Gemeinderat befinde darüber, erläuterte die Verwaltung auf Nachfrage von Wolfgang Gommel (CDU). Die Pläne würden parallel vorangetrieben.

Der Freie Wähler-Fraktionschef Manfred Grossmann und Sabine Roth, die Vorsitzende der SPD-Fraktion, sprachen sich deutlich für die Umnutzung aus. Grossmann verband seine Aussage mit einer Kritik an der Bundespolitik, die die Kommunen erst in diese Situation gebracht habe. Roth hingegen sprach von einem „Glücksfall, dass das Gebäude leer steht, um die Menschen vernünftig unterzubringen.“ Das sei weniger problematisch als die Unterbringung in Baracken.

Makurath verweist auf bisherige Erfahrungen

Der Rathauschef äußerte Verständnis für die Bedenken, verwies aber auf die Erfahrung mit bestehenden Unterkünften: „Umsetzung und Betrieb sind bisher relativ problemlos gelaufen.“ Die Polizei bestätigt diese Einschätzung. Deutlich wies der OB jedoch eine Einlassung von Dieter Schnabel (UB) zurück: „Es ist beifallheischend, wie Sie sich echauffieren.“ Schnabel hatte Makurath daran erinnert, die Marktstraße einst als „König-sträßle des Strohgäus“ bezeichnet zu haben: Nun sei die Marktstraße „auch nicht mehr das, was von Ihnen angestrebt war“, hatte Schnabel gesagt.

Mit großer Mehrheit bei letztlich vier Gegenstimmen votierte der Gemeinderat für die Umnutzung des Gebäudes.

Die Zeit drängt: Die Stadt ist schon damit im Verzug, die ihr in diesem Jahr zugewiesenen Flüchtlinge unterzubringen. Der Neubau in Hirschlanden wird erst im Frühjahr nächsten Jahres fertig, 53 Plätze müssen deshalb noch dieses Jahr anderweitig geschaffen werden. Schon in der Vorberatung im Fachausschuss sah der Rathauschef Michael Makurath keine Alternative zur mittelfristigen Umnutzung des Gebäudes, wenn man keine öffentlichen Hallen belegen wolle: „In Italien sitzen 150 000 Flüchtlinge. Wer glaubt, dass das so bleibt, ist falsch gewickelt. Wir müssen pragmatisch damit umgehen.“