Die Mehrheit der Fraktionen hat im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen der Verwaltung in Sachen Flüchtlingsunterbringung den Rücken gestärkt. Nur die AfD ist ausgeschert: Fraktionschef Klingler sprach von „Eindringlingen“, die aus wirtschaftlichen Gründen „unsere Systeme aussaugen“ wollten.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Die Fraktionen haben am Freitag im Wirtschaftsaussschuss klar gemacht, dass sie der Verwaltung bei den dringend benötigten Unterkunftsplätzen für Flüchtlinge den Rücken zu stärken gedenken. Allerdings gab es eine Ausnahme: Die AfD werde, wie ihr Fraktionsvorsitzender Bernd Klingler sagte, keinem einzigen Standort mehr zustimmen. Wie berichtet plant die Stadt, kurzfristig in vier ehemaligen Schulgebäuden 650 und in Waldheimen mindestens 200 Flüchtlinge unterzubringen sowie mittelfristig 1440 Plätze in Systembauten und erstmals auch 708 Plätze in Containern zu schaffen.

 

Bei der ersten politischen Debatte um die sogenannte Tranche 5 zur Flüchtlingsunterbringung isolierte sich Klingler mit einer noch radikaleren Wortwahl als bei vorherigen Diskussionen. Statt von Flüchtlingen sprach er von „Eindringlingen“, die aus wirtschaftlichen Gründen „unsere Systeme aussaugen“ wollten. Man werde von „einer Invasion überrannt“. Im Haushalt stehe außer für Flüchtlinge „so gut wie nichts drin“. Zur Einordnung: der Doppelhaushalt für 2016/17 umfasst 6,47 Milliarden Euro. Davon sind laut Entwurf 281,3 Millionen Euro für das Thema Flüchtlinge vorgesehen (Schaffung von Plätzen, Unterbringung, Betreuung, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz).

Videobotschaft auf Facebook

Inzwischen hat Klingler auch in einer Videobotschaft im sozialen Netzwerk Facebook mit den gleichen Formulierungen Stimmung gegen Flüchtlinge gemacht, um dann – wie im Ausschuss – Stuttgarts Weltoffenheit zu würdigen. Die Empörung über Klinglers Wortmeldung im Rathaus war am Freitag groß unter den Fraktionen.

 

Botschaft aus dem Stuttgarter Rathaus.

Posted by AfD-Fraktion-Stuttgart on  Samstag, 3. Oktober 2015

„Sie haben sich damit vollkommen isoliert“, sagte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Andreas Winter. Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) bezeichnete Klingler als „politischen Brandstifter“, seine Parolen stünden „im fundamentalen Widerspruch zu einer weltoffenen, liberalen Stadt“. Man müsse Lösungen finden, wie man die Grundwerte der Gesellschaft und die Flüchtlingsströme miteinander in Einklang bringt, so Föll. Nachdem AfD-Stadtrat Heinrich Fiechtner, kein Mitglied des Ausschusses, ins gleich Horn wie Klingler geblasen hatte („ungesteuerte Zuflutung“), sagte Clarissa Seitz (Grüne): „Ich schäme mich, dass wir so etwas in diesem Gremium hören müssen.“ Und Sibel Yüksel (FDP) sagte in Richtung Klinglers, „Gott sei Dank“ würden solche Ansichten bei den Liberalen nicht mehr vertreten.

Abgesehen von der AfD lobten alle Fraktionen die Verwaltung. Die CDU sprach sich aber gegen den Degerlocher Containerstandort aus, weil sie eine Verzögerung bei der Verwirklichung der Sporthalle verhindern will. Als Alternative nannte Joachim Rudolf die gegenüberliegende Bezirkssportanlage, die sanierungsbedürftig sei. Föll versprach, man werde die Alternative prüfen, warnte allerdings, dass dieser Standort die Stadt sicherlich teurer käme.

Höherer Betreuungsschlüssel gefordert

SPD-Stadtrat Hans H. Pfeifer lobte Bürgermeister Föll für seine „klaren Worte“ und begrüßte, dass das Jugendrotkreuz in Möhringen an seinem Standort weiter machen kann, auch wenn die Systembauten am Ehrlichweg fertig sind. Er und Guntrun Müller-Enßlin (SÖS-Linke-Plus) mahnten in den Unterkünften einen höheren Betreuungsschlüssel an.

Inzwischen hat die evangelische Kirche die Namen der vier Waldheime bestätigt, in die Flüchtlinge ziehen: wie berichtet sind es die Waldheime Johannes in Botnang (54 Plätze), Sonnenwinkel in Vaihingen (54 Plätze), Lindental in Weilimdorf (50 Plätze) und Schlotwiese in Zuffenhausen (40 Plätze). „Gerne kommen wir unserer gesellschaftlichen Verantwortung nach und unterstützen die Stadt“, teilte der evangelische Stadtdekan Søren Schwesig mit.Außerdem vermiete die Evangelische Gesamtkirchengemeinde seit Sommer fünf Wohnungen an Flüchtlinge. In ihnen wohnen 25 Personen.

Waldheime in den Sommerferien nicht belegt

Laut Sozialamtsleiter Stefan Spatz kommt voraussichtlich noch ein Waldheim hinzu. Man habe sich insgesamt mehr von der Prüfung erwartet, so Spatz. Noch im Oktober soll die Belegung beginnen. „Das Wort gilt“, so Spatz, dass die Waldheime im Sommer nicht mehr als Unterkünfte für Flüchtlinge zur Verfügung stünden.