Bei einer Bürgerversammlung zum Thema Flüchtlingsunterbringung in Uhingen gibt es kritische Fragen, aber auch großes Verständnis für das geplante Vorgehen. Die Vertreter von Stadt, Kreis und Polizei geben geduldig Antwort und sind dabei überaus ehrlich.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Uhingen - Es hat unbequeme Wahrheiten, kritische Äußerungen, besorgte Fragen und natürlich auch hitzige Wortbeiträge gegeben. Polemische Entgleisungen oder lautes Geschrei waren bei der Bürgerversammlung zur geplanten Flüchtlingsunterbringung in Uhingen hingegen die absolute Ausnahme. Und obwohl gut ein Dutzend Neonazis sowie etliche Anhänger des linksextremen Spektrum ins mit 450 Besuchern mehr als voll besetzte Uditorium gekommen waren, blieb es vor, während und nach der Veranstaltung friedlich.

 

Gleich zu Beginn zeigte Bürgermeister Matthias Wittlinger auf, dass die erst in der vergangenen Woche öffentlich gemachten Planungen von der Realität bereits wieder überholt worden sind. So ist ein Containerstandort an der Eisenbahnstraße nahe der Allgaier-Brücke zwar weiterhin gesetzt, soll aber 55 statt nur 45 Asylbewerbern eine Heimstatt bieten. Fortschritte gab es auch, was das ehemalige Würtex-Verwaltungsgebäude an der Römerstraße angeht. Dort sollen insgesamt 110 Flüchtlinge unterkommen, sofern sich ein Umbau realisieren lässt und die Miete vertretbar ist. „Wir können hier zwar noch keinen Abschluss vermelden, doch die Signale stehen auf grün“, erklärte der Rathauschef.

Mit den jetzigen Plänen würde die Stadt ihr Soll erfüllen

Neu in der Prüfung ist derweil das Gasthaus Nassachmühle, wo 50 Unterbringungsplätze entstehen könnten. Hinzu kommt das frühere Naturfreundehaus am Haldenberg, das bereits als Unterkunft für maximal 20 Personen genutzt werden kann. Alles in allem würde die Stadt damit die bis Ende 2016 vom Kreis geforderten 235 Plätze zur Verfügung stellen können und zudem die unlängst kritisierte Konzentration in der Oststadt vermeiden. Jochen Heinz, der Stellvertreter des Göppinger Landrats, findet das Handeln der Stadt Uhingen sinnvoll, „weil hier aktiv gestaltet und nicht nur reagiert wird“.

Heinz stellte klar, dass der Kreis die Flüchtlinge, die ihm zugewiesen würden, unterbringen müsse. „Es geht schlicht um die Vermeidung von Obdachlosigkeit und deshalb akquirieren wir, was geht, um weiter Turnhallenbelegungen nach Möglichkeit zu vermeiden“, ergänzte er. Jürgen Ringhofer, der Leiter des Uhinger Polizeireviers, ließ im Anschluss Zahlen sprechen und zeigte auf, „dass wir in unserem gesamten Bereich, obwohl es bereits einige Flüchtlingsunterkünfte gibt, keine signifikante Zunahme der Kriminalität zu verzeichnen haben“. Matthias Wittlinger warnte deshalb auch davor, „alle Schutzsuchenden als Verbrecher abzustempeln“.

Zugleich forderte der Schultes aber die große Politik und seine Bürgermeisterkollegen im Landkreis zum Handeln auf: „Zum einen muss das jetzt verabschiedete Asylpaket konsequent umgesetzt werden und zum anderen sind alle Kommunen gefordert, sich solidarisch zu zeigen und ihren Verpflichtungen nachzukommen.“ Manchmal könne er sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Ernst der Lage noch nicht überall erkannt worden sei, fuhr Wittlinger fort und erntete dafür Beifall.

Konstruktive Debatte wird nur kurz gestört

Beifall gab es im Anschluss auch für die meisten Fragesteller – für diejenigen, die sich der Sache gegenüber als direkte künftige Nachbarn eher ablehnend zeigten, aber ebenso für all jene, die sich konkret nach den Unterstützungsangeboten, nach Beschäftigungsmöglichkeiten oder nach der Sozialbetreuung für die Flüchtlinge erkundigten. Die Behördenvertreter auf dem Podium gaben geduldig Auskunft und gingen auf alle Bedenken ausführlich ein. Lediglich ein Mal, drohte der Dialog zu entgleiten, als ein stadtbekannter Neonazi lautstark zu pöbeln begann. Der Mann wurde jedoch kurzerhand des Saales verwiesen, so dass die konstruktive Debatte ungestört weitergehen konnte.

Aufgeräumt wurde auch mit Gerüchten. So dementierte Wittlinger energisch, dass der Spielplatz in der Gerhart-Hauptmann-Straße als weiterer Wohncontainer-Standort vorgesehen sei. Der Bürgermeister sicherte außerdem zu, weiterhin eine größtmögliche Transparenz zu gewährleisten. „Wir haben noch kein fertiges Konzept und müssen uns auf weitere Veränderungen einstellen. Was sich in diesem Bereich tut, werden wir aber permanent nach außen transportieren“, sagte Wittlinger. Zugleich unterstrich er, dass es mit ihm und mit den Gemeinderäten keine Totalverweigerung geben werde. „Wir lassen jederzeit mit uns reden und werden Anregungen und Beschwerden aufnehmen. Dennoch führt kein Weg daran vorbei, den Menschen, die zu uns kommen, eine Bleibe zu bieten und sie bestmöglichst zu unterstützen.“

Der Druck auf den Landkreis nimmt immer mehr zu

Die Zahl der Flüchtlinge im Kreis Göppingen wird bis zum Jahresende auf rund 2400 anwachsen und sich damit – im Vergleich zu Ende August – mehr als verdoppeln. Ende 2016, so die Prognose, werden rund 4200 Schutzsuchende unterzubringen sein. Zuständig dafür ist zwar der Landkreis, mangels eigener Liegenschaften, werden die Menschen allerdings, gemäß des Einwohnerschlüssels auf die Kommunen verteilt.

Einmal mehr richtete Landrat Edgar Wolff jüngst einen Appell an die Kommunen, Gebäude und Grundstücke, anzubieten, die sich für die Unterbringung von Flüchtlingen oder zum Aufstellen von Wohncontainern eigneten. Der Druck werde gerade in den nächsten Monaten immer größer, betonte Wolff.

Parallel hält der Landkreis selbst Ausschau nach Immobilien, die sich kurzfristig in eine Gemeinschaftsunterkunft umwandeln lassen. In den Fokus geraten dabei auch leer stehende Firmen, Fabrikhallen oder Supermärkte, die entsprechend nachgerüstet werden können. Hierbei ist der Landkreis nicht auf die Mithilfe der Städte und Gemeinden angewiesen, könnte eine Unterbringung also auch gegen den Willen der jeweiligen Kommune durchsetzen.

Sorge vor Zunahme rechtsextremer Tendenzen

Derweil wächst bei Vereinen, Parteien und anderen Organisationen die Sorge vor einer Zunahme rechtsextremer Tendenzen. Die Antifaschistische Gruppe Göppingen hat wieder vermehrt neonazistische Aufkleber und Parolen im Stadtgebiet ausgemacht. Am Samstag um 14 Uhr wird deshalb in der Fußgängerzone Untere Marktstraße eine Kundgebung gegen diese Propaganda abgehalten. Im Anschluss findet eine „Putzete“ satt, bei der die Aufkleber, die sich gegen Flüchtlinge richten, zum Boykott jüdischer Produkt aufrufen oder gar eine nationalsozialistische Zone proklamieren entfernt werden.