Flüchtlingsunterbringung in Weil im Schönbuch Wenn die Wohnraumsuche zur Gerechtigkeitsfrage wird
Brisanter Antrag: Die Freien Wähler wollen, dass Weil im Schönbuch keine Immobilien mehr für Geflüchtete kauft oder anmietet.
Brisanter Antrag: Die Freien Wähler wollen, dass Weil im Schönbuch keine Immobilien mehr für Geflüchtete kauft oder anmietet.
Das Thema Flüchtlingsunterbringung bringt viele Gemeinden an ihre Belastungsgrenze. Die im Landkreis Böblingen ohnehin schon prekäre Lage auf dem Wohnungsmarkt wird dadurch immer weiter verschärft. Für sozial schwächer gestellte Menschen, die in Deutschland ihre Heimat haben, wird die Suche nach bezahlbarem Wohnraum zur Gerechtigkeitsfrage.
Diese Entwicklung veranlasste die Fraktion der Freien Weiler im Gemeinderat von Weil im Schönbuch zuletzt dazu, einen Antrag mit potenzieller Sprengkraft zu stellen. Man könne „dem weiteren Kauf von Wohnungen/Immobilien zur Flüchtlingsunterbringung und den damit verbundenen Belastungen des Gemeindehaushalts nicht mehr weiter zustimmen“, heißt es in dem Antrag.
„Nachdem genauso Sozialwohnungen zur Unterbringung von wirklich Bedürftigen aus der deutschen Bevölkerung fehlen und hier keine Abhilfe in Aussicht steht, können wir das als gewählte Vertreter der Bevölkerung nicht mehr verantworten!“, formuliert Hans-Jörg Bühler stellvertretend für seine Fraktion. Der Zahnarzt setzt ans Ende dieses wie auch weiterer Sätze ein Ausrufezeichen – wohl um die Dringlichkeit des Antrags zu unterstreichen.
Weiter betonen die Freien Wähler, dass man sehr wohl der kommunalen Verpflichtung im Rahmen der Anschlussunterbringung von Flüchtlingen nachkommen wolle. Allerdings fordere man die Verwaltung auf, „andere, preisgünstigere temporäre Unterbringungsmöglichkeiten zu prüfen“ und schlägt dafür Container- oder Zeltlösungen auf angemietetem oder gemeindeeigenem Terrain vor. „Unter allen Umständen“ müsse man dabei eine Hallenbelegung vermeiden.
Das Schreiben war am Dienstagabend im Weilemer Gemeinderat Gegenstand einer intensiven Debatte in einer zuvor eher unspektakulär verlaufenen Sitzung. Nach dem Jahresbericht der Ortsbücherei, Beschlüssen über die Beschaffung eines neuen Traktors für den Bauhof und iPads für die Ratsmitglieder sowie weiteren zügig durchgewinkten Tagesordnungspunkten von Container-Kitas bis zum kreisweiten Sirenennetz kam Bürgermeister Wolfgang Lahl schließlich zu den „Bekanntgaben der Verwaltung“. Hier verlas er den Antrag der Freien Wähler und stellte zunächst die Rechtslage klar, wonach die Flüchtlingsunterbringung eine Pflichtaufgabe und der soziale Wohnungsbau eben lediglich eine Freiwilligkeitsleistung sei. Dann gab er den Ratsmitgliedern die Möglichkeit, Stellung zu beziehen.
Hans-Jörg Bühler fasste noch einmal die wichtigsten Punkte zusammen und wiederholte dabei den Schlusssatz aus dem Schreiben, in dem die Fraktion ihre Bereitschaft zur „maximalen Compliance“ signalisiere.
Die Grünen-Fraktion hatte bereits eine Stellungnahme zu dem Antrag aufgesetzt. Konrad Heydenreich zitierte daraus und verwies auf die gute Integrationssituation im Ort, die man nicht zuletzt dem Arbeitskreis Weiler Flüchtlingshilfe zu verdanken habe. Eine gelungene Integration nütze am Ende allen – sei es über Steuereinnahmen oder bei der Bekämpfung des Arbeitskräftemangels.
Entscheidend sei hier aber auch die Art der Unterbringung, verwies Heydenreich auf seine eigene Flüchtlingserfahrung. Als Kind von Heimatvertriebenen habe er nämlich selbst erlebt, wie es ist, in einem Zelt leben zu müssen. Hans-Jörg Bühler sah das etwas anders. „Integration funktioniert auch aus dem Container oder schlechteren Wohnungen heraus, wenn der Wille dafür da ist“, sagte er.
Zur Finanzierung gab er an, dass der Gemeindewohnraum nur ein „Durchlauf“ sei und von 400 in Weil untergebrachten Geflüchteten bereits mehr als die Hälfte schon in den eigenen vier Wänden wohne beziehungsweise Miete bezahle. Den Punkt, dass Geflüchtete den Wohnungsmarkt verengen würden, wollte Heydenreich auch nicht so stehen lassen. Seiner Erfahrung nach werde für diese Personengruppe meist geringwertiger und sonst kaum vermittelbarer Wohnraum zur Verfügung gestellt, der dann vergleichsweise teuer vermietet werde.
Am Ende der trotz des brisanten Themas bemerkenswert sachlich geführten Debatte ließ Bürgermeister Lahl das Gremium abstimmen: Mit neun zu elf Stimmen (keine Enthaltung) scheiterten die Freien Wähler mit ihrer Kernforderung, keinen Wohnraum für Geflüchtete mehr zu kaufen oder anzumieten. Dafür sagte die Verwaltung aber zu, dem Wunsch nachzukommen und andere preisgünstige Lösungen zu sondieren. Außerdem nahm Bürgermeister Lahl die Anregung von CDU-Rat Armin Kolb auf, der sich eine statistische Auswertung darüber wünschte, wie viele Geflüchtete tatsächlich eigenen Wohnraum gefunden haben.