Rund 200 Leute wollen in die Zehntscheuer, müssen aber draußen bleiben. Damit alle Interessierte der Diskussion über die geplante Flüchtlingsunterkunft auf der Schlotwiese folgen können, hat der Bezirksbeirat mehrheitlich einer Vertagung des Punktes zugestimmt.

Zuffenhausen - Die Stimmung vor der Zehntscheuer ist gereizt am Dienstagabend. In dem historischen Gemäuer trifft sich der Bezirksbeirat, um unter anderem über die geplanten Flüchtlingsunterkünfte auf der Schlotwiese zu beraten. Vor der Tür stehen derweil etwa 200 Menschen, denen der Zutritt zur Bezirksbeiratssitzung verwehrt wird – aus baupolizeilichen Gründen, wie ihnen Gerhard Hanus zu erklären versucht. Der Bezirksvorsteher kann sich kaum Gehör verschaffen, und für seine Idee, die Bürger nach der Gemeinderatsentscheidung über das Thema zu informieren, erntet er nur höhnisches Gelächter.

 

Die Leute im Zehnthof ärgern sich, dass Stadträte eingelassen werden, aber sie nicht. Von einer geschlossenen Gesellschaft ist die Rede. Unverständnis herrscht darüber, dass die Sitzung nicht in die Hohensteinhalle oder ins Bürgerhaus nach Rot verlegt wurde. Während draußen eine Art spontane Bürgerversammlung abgehalten wird, treffen die Bezirksbeiräte drinnen eine Entscheidung: Auf Antrag von Lucia Ströbele (SPD) wird beschlossen, den Tagesordnungspunkt abzusetzen und über den Standort Schlotwiese an einem anderen Tag in größeren Räumlichkeiten zu sprechen. „Ich sehe keine Möglichkeit, zu vertagen“, gibt Gerhard Hanus zu bedenken und verweist auf den engen Zeitplan bis zur endgültigen Entscheidung über den Standort, die am 18. Februar im Gemeinderat fallen soll. Die Mehrheit der Lokalpolitiker entscheidet anders: Bei zehn Ja- und fünf Nein-Stimmen sowie einer Enthaltung wird der Antrag angenommen. Ein neuer Sitzungstermin steht noch nicht fest. Hanus erklärt, er müsse den weiteren Ablauf erst mit Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle abstimmen: „Die rechtliche Situation ist auch für mich neu.“

Der Andrang am Dienstagabend kam indes nicht wirklich überraschend: Schon im Vorfeld der Sitzung war davon auszugehen, dass das Interesse am Thema groß sein wird. Der Vorschlag der Stadtverwaltung, fünf Systembauten für rund 400 Asylbewerber auf der Schlotwiese zu bauen, stieß in der Bevölkerung auf massive Kritik. Viele Zuffenhäuser hatten ihren Unmut im Internet geäußert und ihr Kommen für Dienstag angekündigt.

Bürgermeister Wölfle: Anderer Ort wäre möglich gewesen

Rund 250 Bürger waren zur Zehntscheuer gekommen – aber nur 45 durften in den Saal. Der Rest wurde von Mitarbeitern eines Sicherheitsdienstes davon abgehalten, das Gebäude zu betreten. „Aus brandschutztechnischen Gründen dürfen nur maximal 99 Personen in die Zehntscheuer“, erklärte Gerhard Hanus schon im Vorfeld der Sitzung. Allerdings war mehr als die Hälfte der Plätze reserviert – unter anderem für die Bezirksbeiräte und ihre Stellvertreter, für die Betreuungsstadträte und die Referenten. Dennoch kam für den Bezirksvorsteher ein anderer, größerer Raum wie das Bürgerhaus in Rot nicht in Frage – „aus Sicherheitsgründen“, sagte Hanus am Montag. Im großen Saal des Bürgerhauses in Rot hätten bis zu 300 Leute Platz gefunden. „Wenn es dort Tumulte gibt, ist das aber in diesem großen Raum nicht mehr beherrschbar“, sagte Hanus. Bei weniger Bürgern in der Zehntscheuer, den Sicherheitsleuten und dem anwesenden Leiter des Polizeireviers, Volker Kehl, sei die Hemmschwelle bei den Besuchern auf jeden Fall größer. Zudem sei es ein riesiger Aufwand, die Sitzung in Rot abzuhalten. Des Weiteren sei es im Bürgerhaus bei Zwischenrufen nicht möglich, eine ordentliche Sitzung abzuhalten. Und: Der Saal koste auch mehr Geld. „Die Zehntscheuer ist und bleibt unser Sitzungsort“, erklärte Hanus.

An Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle wäre eine Verlegung der Sitzung ins Bürgerhaus auf jeden Fall nicht gescheitert. „Das wäre gegangen, um Unmut bei den Bürgern zu vermeiden, die aufgrund der fehlenden Kapazität nicht an der Sitzung teilnehmen können“, sagte er schon am Montag auf Nachfrage der Nord-Rundschau. Über Sicherheitspersonal für die Zehntscheuer habe er mit dem Bezirksvorsteher gesprochen, über größere Räumlichkeiten und die Sicherheit dort aber nicht. Einen Tag vor der Sitzung mache es nun keinen Sinn mehr, einen neuen Ort ins Auge zu fassen.