Die Stadträte der Freien Wähler und einige Zuffenhäuser Bezirksbeiräte fordern neue Konzepte, um Unterkünfte für Flüchtlinge zu finden. Verstärkt soll nach privaten und gewerblichen Grundstücken Ausschau gehalten werden.

Stuttgarter Norden - Wo sollen all die Flüchtlinge unterkommen, welche die Stadt seit Monaten vom Land zugewiesen bekommt? Diese Frage beschäftigt nicht nur die Verwaltung. Immer öfter wird nun auch aus den Reihen des Gemeinderats, der Bezirksbeiräte und der Bevölkerung Unmut über die Standort-Vorschläge der Stadt geäußert. Für die Flächen, die im Rahmen der sogenannten Tranche 6 in den Fokus gerückt sind, hagelte es bislang am meisten Kritik. Fünf Systembauten für rund 400 Flüchtlinge auf der Schlotwiese oder die Erweiterung des Standorts an der Ottmarsheimer Straße in Stammheim um 78 auf 321 Bewohner sind für die Bezirksbeiräte nicht mehr tragbar, die sich bislang mehrheitlich immer für die von der Verwaltung vorgeschlagenen Standorte ausgesprochen haben.

 

Aber gibt es überhaupt Alternativen? In der Vergangenheit hat sich immer wieder gezeigt, dass es andere Optionen als die von der Verwaltung präferierten Standorte gibt. In Feuerbach wurden Ende des Jahres 2013 Flächen am Hattenbühl und an der Burgherrenstraße vorgeschlagen. Am Ende wurde es das Gebiet Schelmenäcker-Süd, das aus den Reihen des Bezirksbeirats ins Spiel gebracht wurde. Und auch in Zuffenhausen ist die Schlotwiese nicht alternativlos. Der Festplatz sei grundsätzlich geeignet, heißt es bei der Stadt – allerdings erst auf Nachfrage. Die Verwaltung schloss zunächst auch eine Fläche an der Franken-/Ludwigsburger Straße in Zuffenhausen aus. Die sei privat und verplant. Doch mittlerweile ist klar: Der Eigentümer ist gesprächsbereit. Diese Information kam allerdings erst aufgrund der Recherchen der Nord-Rundschau und der Eigeninitiative von CDU-Stadtrat Thomas Fuhrmann ans Tageslicht.

Grund genug, dass die Zuffenhäuser Bezirksbeiräte von SPD, Grünen, SÖS-Linke und Freien Wählern in einem Antrag mehr „Transparenz bei der Suche nach Standorten für die Flüchtlingsunterbringung“ fordern. Bei allen weiteren Tranchen sollen Bezirksvorsteher, Flüchtlingsfreundeskreise, Bezirksbeiräte und Bürger miteingebunden werden. Das bisher im „Krisenmodus“ durchgeführte Verfahren sei zu undurchsichtig. Gesellschaftliche Akteure und Bürger seien bisher nicht oder zu spät eingebunden worden.

Bis Jahresende müssen noch rund 570 Plätze her

Fakt ist, dass bislang fast ausschließlich städtische Flächen herangezogen wurden, um Systembauten zu erstellen. Inklusive Tranche 6 sind im Stuttgarter Norden 31 dieser Gebäude an zehn Standorten fertig, im Bau, schon beschlossen oder vorgeschlagen. Nur eine dieser Flächen wurde von der Stadt erworben – das Grundstück an der Krailenshaldenstraße in Feuerbach. „Das hat natürlich auch finanzielle Aspekte“, sagt ein Sprecher der Stadt. Zudem seien Flächen in städtischer Hand schneller verfügbar. Und das sei aufgrund der Zuweisungen vom Land auch dringend erforderlich gewesen. Ein Blick auf die Zahlen und Prognosen belegen, wie groß der Druck auf die Verwaltung ist, schnell Plätze für Flüchtlinge zu schaffen. Während die Stadt im Dezember 2014 noch davon ausging, monatlich rund 150 Asylbewerber aufnehmen zu müssen, waren es sechs Monate später schon doppelt so viele. Bis November 2015 stieg die Zahl der Flüchtlinge sogar auf 1200 pro Monat. Für das Jahr 2016 geht die Stadt davon aus, jeden Monat 600 Asylbewerbern ein Dach über dem Kopf geben zu müssen. Das heißt: Mit Tranche 6 ist es noch nicht getan. Es fehlen weitere rund 570 Plätze – plus zusätzliche Unterkünfte, um die rund 700 Menschen aus den derzeit fünf belegten Turnhallen zu bekommen. Wie das gelingen soll, ist noch nicht klar.

Es fällt der Stadtverwaltung zunehmend schwerer, geeignete Flächen zu finden, die man nicht erst erwerben oder anmieten muss. Deshalb wurde in Tranche 6 vor allem auch vorgeschlagen, schon bestehende Standorte zu erweitern. Somit leben aber auch immer mehr Flüchtlinge auf engstem Raum zusammen. Der viel zitierte Stuttgarter Weg sieht eigentlich vor, maximal 250 Asylbewerber an einem Standort unterzubringen. Seit Tranche 5 ist das auf städtischen Flächen nicht mehr zu realisieren. Das sieht auch die Gemeinderatsfraktion der Freien Wähler so. „Wir können uns nicht vorstellen, dass mit privaten oder gewerblichen Eigentümern kein Einvernehmen über die Rahmenbedingungen beim Ankauf oder bei der Anmietung von Grundstücken erzielbar ist“, heißt es in einem Antrag. Nun soll die Stadt am 16. Februar in der Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Technik des Gemeinderats darlegen, warum „bisher fast keine privaten und gewerblichen Grundstücke“ angemietet oder gekauft wurden. Zudem soll unverzüglich ein Suchlauf starten, bei dem gezielt nach solchen Flächen Ausschau gehalten wird. „Das Ergebnis wird spätestens Anfang Mai vorgestellt“, fordern die Freien Wähler.