Die Zahl der Beschwerden von Reisenden hat sich verdoppelt. Die Deutsche Bahn sollte sich nicht darauf ausruhen, dass sie bei der Chaosbilanz im Vergleich zum Flugzeug vergleichsweise glimpflich davon kommt, meint Wirtschaftsredakteur Thomas Thieme.

Stuttgart - Je nachdem, wie die aktuellen Tarifverhandlungen bei der Deutschen Bahn ausgehen, könnte sich bald wieder neuer Ärger bei den Reisenden aufstauen. Grund zur Beschwerde gibt es reichlich: neben den Streiks im Nah- und Fernverkehr auch die ganz regulären Verspätungen und Zugausfälle aufgrund von Bauarbeiten, Personen- oder Sachschäden und die zum Normalzustand gewordene Überlastung des Schienenkonzerns. Ein Blick auf die vorläufige SÖP-Jahresbilanz dürfte bei so manchem Verantwortlichen in der Berliner Bahnzentrale allerdings das Bedürfnis ausgelöst haben, vorzeitig die dritte Kerze am Adventskranz anzuzünden.

 

Die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr vermeldet zwar Beschwerden in Rekordhöhe: Bis zum Jahresende würden sich die eingereichten Unmutsbekundungen von Reisenden im Vergleich zu 2017 praktisch verdoppeln. Allerdings kommt die Bahn im Gegensatz zum Ärgernis Nummer eins, dem Flugverkehr, verhältnismäßig glimpflich davon. So ist die absolute Zahl der Beschwerden bis zum 7. Dezember 2018 mit 2989 (2017: 2863) nur geringfügig gestiegen. Der Anteil, den die Bahn am Gesamtärger der Kunden hat, lag mit zehn Prozent sogar deutlich unter dem Vorjahr (18 Prozent).

Bevor die Bahnspitze sich angesichts des stagnierenden Reisefrusts besinnlich gestimmt zurücklehnt, sollte sie sich eines bewusst machen: Nur weil die Zustände im Luftverkehr noch miserabler sind und sich die Nervenzusammenbrüche von Reisenden mit dem Ausbau des Fernbussnetzes zunehmend auf die Autobahn verlagern, ist noch lange nicht alles gut. Im Gegenteil: Das Ziel sollte nicht sein, sich häufiger im Nachgang einer mit Ärgernissen gespickten Reise gütlich vor der Schlichtungsstelle zu einigen, was auch ein Trend ist, sondern, diese Fälle zu minimieren. Hier besteht noch großer Verbesserungsbedarf.