Bekommen Passagiere eine Entschädigung, wenn ein Crewmitglied kurzfristig stirbt? Das Europagericht hat diese Frage nun zu einem Fall aus Stuttgart geklärt.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Verhandlungen zu Flugausfällen, verspäteten Flügen und Kompensationen, die es dafür geben sollte, sind für das Gericht der Europäischen Union so etwas wie Tagesgeschäft. Gefühlt ist die Rechtsprechung zu diesem Thema so gewaltig wie der Reiseverkehr zu Ferienstart. Den Fall, den die Richter am Donnerstag entschieden haben, gibt es aber auch nicht alle Tage. Zum Glück.

 

Mehr als zehn Stunden Verspätung

Ein Flug von Stuttgart nach Lissabon konnte am 17. Juli 2019 nicht wie geplant um 6.05 Uhr abheben. Der Grund dafür war dramatisch: der Co-Pilot der portugiesischen Fluggesellschaft war zwei Stunden zuvor tot in seinem Hotelbett aufgefunden worden, die Crew sah sich nicht im Stande, ihren Dienst zu versehen. Der Ersatzflug mit neu herbeigeschaffter Besatzung hob dann um 16.40 Uhr vom Flughafen ab – also mehr als zehn Stunden später als geplant.

Ein Teil der Passagiere forderte daraufhin eine Entschädigung nach der Fluggastrechteverordnung, die Fluggesellschaft aber wollte nicht bezahlen. Bei dem völlig unerwarteten Tod des Copiloten handele es sich um einen außergewöhnlichen Umstand, so die Airline, damit sei sie von der Ausgleichspflicht befreit.

Stuttgarter Gericht legt Frage vor

Das Stuttgarter Landgericht hat diese Frage den Kollegen in Luxemburg vorgelegt – und die sehen den Sachverhalt anders als die Fluggesellschaft. Der Gerichtshof erläutert, dass sich die Situation eines Todes bei all seiner Tragik in diesem Fall juristisch nicht von dem Fall eines Fluges unterscheidet, der nicht durchgeführt werden kann, weil ein Besatzungsmitglied kurz vor dem Abflug unerwartet erkrankt ist. Entscheidend sei die Abwesenheit des unverzichtbaren Crewmitgliedes, nicht der Grund für die Abwesenheit. Die Fluggesellschaft müsse daher die geltend gemachten Entschädigungen bezahlen.