Beim Neubau der Flugfeldklinik ist der Landkreis als Bauherr ein Vorreiter. Das Gebäude wird als einer der bundesweit ersten öffentlichen Bauten komplett mit der innovativen BIM-Methode geplant.

Böblingen/Sindelfingen - Große Unternehmen wie Daimler setzen bei großen Bauvorhaben schon seit längerem auf das Building Information Modeling (BIM). Die Bauherren von Bund, Land und den Kommunen tun sich damit noch immer schwer. Insofern gehört der Kreis Böblingen zu den Pionieren: Die geplante Zentralklinik auf dem Flugfeld zwischen Böblingen und Sindelfingen ist eines der bundesweit ganz wenigen öffentlichen Bauvorhaben, das komplett von der Grundlagenermittlung bis zur Inbetriebnahme digital geplant wird. Stolz ist der Böblinger Landrat Roland Bernhard auf die Vorreiterrolle des Klinikverbunds Südwest. Und der BIM-Manager Felix Beck vom Beratungsunternehmen Drees & Sommer, der als Hauptverantwortlicher das digitale Bauen organisiert, spricht gar von „einem Leuchtturmprojekt“.

 

Fehler werden vor dem Bau erkannt

Nicht erst seit dem Desaster beim Bau des Berliner Großflughafens wissen auch Unbedarfte, wie schnell es zu Pfusch beim Bau kommen kann. Und je größer ein Projekt, je mehr verschiedene Unternehmen daran beteiligt sind, desto größer die Gefahr von Fehlern. Genau dies soll BIM vermeiden.

„Wir bauen die Klinik zweimal: einmal virtuell und einmal real“, sagt Stephan Hösemann, der BIM-Gesamtkoordinator. „So können wir beim ersten Mal alle Fehler ausmerzen.“ Ein Beispiel: Um elektrische Leitungen überall im Gebäude zu verlegen, müssen an den passenden Stellen Löcher sein. Häufig komme es vor, dass während der Bauarbeiten entdeckt werde, dass Löcher an den falschen Stellen seien oder ganz fehlten, erklärt Hösemann. „Dann muss nachgebessert werden. Das kostet Zeit und Geld.“ Mit der BIM-Planung werde sichergestellt, dass alle Bohrlöcher vorhanden seien, wenn die Elektriker kämen.

Für jeden Bereich gibt es ein eigenes datenbasiertes virtuelles Modell. Die Architekten erstellen eines, die Statiker für das Tragwerk, die Freilandplaner, die Gebäudetechniker sowie die Medizintechniker, die für die Einrichtung zuständig sind. Alle diese Modelle werden dann vom BIM-Koordinator Hösemann zusammengeführt. „Die Modelle sollen ineinandergreifen wie Puzzleteile“, sagt er. Ein ganzes Team ist für die laufende Aktualisierung des Gesamtmodells zuständig. Alle zwei Wochen treffen sich die BIM-Verantwortlichen der Bereiche. Jede Änderung und Erweiterung wird sofort eingearbeitet und ist für alle anderen sichtbar.

Ärzte und Schwestern dürfen mitplanen

Eingebunden in die Planung werden auch die künftigen Nutzer der Klinik. So sollen beispielsweise die Krankenzimmer und Untersuchungsräume zunächst gemeinsam mit Ärzten und Schwestern virtuell am Bildschirm geplant werden. Die medizinischen Mitarbeiter können so genau angeben, wie der Raum eingerichtet werden soll, damit das Personal kurze Wege hat und die Behandlung für den Patienten optimal erfolgen kann.

Sonderwünsche wie zusätzliche Räume können sofort in das Modell eingebaut werden – und es wird dabei auch gleich deutlich, was diese Wünsche kosten und welche Gewerke daran beteiligt sind und eventuell umplanen müssen. Ein weiterer Vorteil der BIM-Planung: ein Tool prüft automatisch, ob es zu Kollisionen zwischen den verschiedenen Teilmodellen kommt, also ob es beispielsweise an einigen Stellen Probleme mit der Statik geben könnte.

Roboter als Bauarbeiter

Nach Zukunftsmusik klingt noch, was Hösemann erzählt: So wird es künftig auch auf Baustellen vermehrt Roboter geben, die die Bauarbeiter ersetzen. Auch diese Roboter könnten dann mit dem BIM-System gesteuert werden.

Bewähren werde sich die BIM-Planung aber auch nach der Inbetriebnahme der Klinik, sagt der Landrat Roland Bernhard. „Wir verwenden die Daten dann für die Putztruppe und die Freilandpflege. Und wenn irgendwann einmal Sanierungen anstehen oder Ersatzteile gebraucht werden, dann haben wir auch dafür mit einem Griff alle Daten parat.“

Kliniken werden viel teurer

Hiobsbotschaft für die Böblinger Kreisräte: Die avisierten Baukosten für die geplante Flugfeldklinik können nicht gehalten werden. Und auch die Sanierung der Krankenhäuser in Herrenberg und Leonberg wird wohl um einiges teurer als kalkuliert. Diese Nachricht überbrachte der Landrat Roland Bernhard jetzt den Mitgliedern des Kreistags.

Der Grund für die Kostenexplosion: Die Baukosten seien in den vergangenen Jahren exorbitant gestiegen, sagte Bernhard. Zwar hat der Klinikverbund Südwest beim Bau der Flugfeldklinik eine Kostensteigerung bereits eingerechnet – allerdings nur von 1,5 bis zwei Prozent pro Jahr. Nun seien die Kosten aber um vier Prozent gestiegen. Auf die gesamte Bauzeit rechnet man damit, dass sich die Bau- und Sanierungskosten um zehn bis 15 Prozent erhöhen.

Bisher war bei dem Neubau stets von Kosten von 437 Millionen, maximal 450 Millionen Euro die Rede gewesen und von Sanierungskosten von 90 Millionen Euro. Genaue Zahlen über die neuen Berechnungen lägen aber noch nicht vor, sagte der Landrat. Diese würden nun im Zuge der konkreten Bauplanungen ermittelt.

Teurer werde auch der Betrieb der Kliniken, sagte Bernhard. Aus der avisierten schwarzen Null nach der Eröffnung der Flugfeldklinik wird wohl nichts. Ohne den Zuschuss aus der Kreiskasse werde der Klinikverbund auch nach der Inbetriebnahme des Krankenhauses – geplant für das Jahr 2024 – nicht auskommen. Die Ursache seien veränderte Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen. Beispielsweise gebe es strengere Auflagen für die Notfallversorgung. Zudem trieben Tariferhöhungen die Personalkosten in die Höhe.

Trotzdem lohne sich die Zusammenlegung der beiden bisherigen Krankenhäuser in Sindelfingen und Böblingen auch aus wirtschaftlicher Sicht. Mit künftig 23 Millionen Euro statt wie bisher 35 Millionen Euro Defizit im Jahr rechnet die Geschäftsführung des Klinikverbunds für die Zeit nach der Eröffnung der neuen Zentralklinik auf dem Flugfeld.