Es ist bereits die zweite Verschiebung: Weil die Brandschutztechnik nicht ausgereift ist, verzögert sich das Milliardenprojekt. Hinter den Kulissen sorgt die Verschiebung für mächtigen Ärger.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die für den 3. Juni geplante Eröffnung des Hauptstadtflughafens Berlin-Brandenburg muss erneut verschoben werden. Wegen Defiziten beim Brand- und Katastrophenschutz kann der erste Flieger in Schönefeld frühestens in der zweiten Augusthälfte starten. Die Politik reagierte verärgert auf die kurzfristige Absage. Der Aufsichtsrat des staatlichen Flughafenbetreibers verlangt Aufklärung.

 

Am 24. Mai sollte Bundeskanzlerin Angela Merkel mit mehreren tausend Ehrengästen den neuen „Willy-Brandt“-Flughafen in Schönefeld feierlich eröffnen, zehn Tage später sollte der Betrieb losgehen. Zeitgleich sollten die bisherigen Airports in Berlin-Tegel und der ehemalige DDR-Zentralflughafen Schönefeld an der südlichen Stadtgrenze schließen und alle Firmen mit riesigem Aufwand umziehen. Nun wird der Festakt abgesagt, der Umzug um mindestens sechs Wochen verschoben. Das kündigte die staatliche Flughafen Berlin-Brandenburg GmbH überraschend an. Der Flugbetrieb werde vorerst weiterhin in Tegel und Schönefeld alt abgewickelt, räumte Flughafen-Chef Rainer Schwarz auf einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz kleinlaut ein.

Der Chefplaner des Hauptstadtflughafens, Manfred Körtgen, begründete die Verschiebung mit Problemen beim Brand- und Sicherheitsschutz. Demnach funktionieren vor allem die computergesteuerten Entlüftungsanlagen noch nicht wie vorgeschrieben, die bei einem Feuer das 300 000 Quadratmeter große Passagierterminal schnell von giftigem Rauch befreien sollen. Auch die vorgeschriebenen Schutzziele bei einer Evakuierung seien „noch nicht voll erfüllt“, so Körtgen. Der Tüv würde die Anlagen demnach nicht abnehmen.

Hinter den Kulissen sorgt die Verschiebung für mächtigen Ärger

Die Flughafenholding in der Hauptstadt gehört dem Bund und den Ländern Berlin und Brandenburg. Die Regierungschefs zeigten sich enttäuscht und verärgert. „Das ist kein guter Tag für den Flughafen, die Bürger und die Besucher der Region“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck erklärte, er sei „stocksauer“. Beide Politiker betonten, man werde in deiner Sondersitzung des Aufsichtsrats von der Geschäftsführung Aufklärung und kurzfristig einen verlässlichen neuen Terminplan verlangen. Platzeck besteht auf einer Eröffnung „spätestens in der zweiten Augusthälfte“.

Hinter den Kulissen sorgt die Verschiebung für mächtigen Ärger. Beobachter rechnen mit Kosten von mindestens 15 Millionen Euro pro Monat und Schadenersatzforderungen von Airlines, Logistikfirmen, Laden- und Restaurantbetreibern. Das werde man „mit den Kunden zu diskutieren haben“, sagte Schwarz. Alle Urlaubs- und Geschäftsflüge sollen zunächst weiter in Tegel und Schönefeld alt abgewickelt werden. Die Planer des 2,5 Milliarden teuren Projekts geraten nun erneut in die Kritik. Seit Wochen gab es Befürchtungen, dass es Probleme mit dem Brandschutz im Terminal gebe. Die Flughafengesellschaft und die Politik hielten aber am Eröffnungstermin fest. Wowereit und Platzeck betonten, man habe erst am Vorabend die schlechten Nachrichten erfahren. „Wir haben reinen Gewissens als Aufsichtsrat sagen können, dass wir im Zeitplan sind“, sagte Berlins Regierungschef.

Bereits Mitte 2010 musste die Flughafengesellschaft einräumen, dass die für Herbst 2011 geplante Eröffnung nicht zu schaffen sei. Als Grund wurden neue Sicherheitsvorschriften genannt. Die Umplanung und Verzögerung verursachte nach früheren Angaben der Betreiberfirma Mehrausgaben und Mindereinnahmen von rund 88 Millionen Euro. Die Schadensregulierung mit der Planungsfirma PGBBI und den Versicherungen dauerten zumindest im vorigen Herbst noch an.

Auf dem neuen „Willy-Brandt“-Flughafen sollen bis zu 27 Millionen Passagiere pro Jahr abgefertigt werden können, drei Millionen mehr als 2011. Eine Erweiterung auf bis zu 40 Millionen Fluggäste wäre möglich, stößt aber wegen des befürchteten Fluglärms und anderer Umweltbelastungen auf massiven Protest in der weiteren Umgebung. Zudem laufen Klagen gegen die Genehmigungen. Die Verschiebung der Eröffnung beschert dem größten Kunden Air Berlin unkalkulierbare Mehrkosten. Air Berlin habe alle Infrastrukturmaßnahmen und alle Flugpläne auf den 3. Juni am neuen Flughafen ausgerichtet, sagte der Vorstandschef der finanziell angeschlagenen Gesellschaft, Hartmut Mehdorn. Alle Beteiligten hätten nun „gewaltige logistische Probleme, die erhebliche noch nicht kalkulierbare Mehrkosten verursachen werden“.