Die Abstimmung über den Weiterbetrieb des Innenstadtairports hat nicht nur die politischen Lager Berlins tief gespalten – der Riss geht mitten durch die Bevölkerung. Nun will der Senat ein Forum für eine Einigung schaffen.

Berlin - Der Volksentscheid für den Flughafen Tegel hinterlässt Berlin als gespaltene Stadt – in dieser Situation will der Berliner Senat aus den Erfahrungen Stuttgarts mit S21 lernen: Im Abgeordnetenhaus kündigte der Regierende Bürgermeister Michael Müller am Donnerstag einen Runden Tisch nach Stuttgarter Vorbild an. Eine „anerkannte neutrale Persönlichkeit“ solle mit einer Art Kommission transparent und ergebnisoffen prüfen, ob und wie man Tegel rechtssicher am Netz lassen und weiterbetreiben könne. Dies ist Teil eines Fünf-Punkte-Plans, den Müller vorlegte um dem Votum nachzukommen.

 

Im Parlament ging es hoch her – es war die erste Gelegenheit nach dem knappen Volksentscheid, bei der die Kontrahenten aufeinander trafen. Bei der Abstimmung hatten etwa eine Million Berliner für die Offenhaltung Tegels und eine dreiviertel Million dagegen votiert. Der Entscheid ist rechtlich nicht bindend, sondern lediglich eine Aufforderung an den rot-rot-grünen Senat.

„Häuser verlieren an Wert, Pläne liegen in Schubladen“

Die Opposition aus CDU, FDP und AfD nutzte die Debatte um dem Senat generell Regierungsfähigkeit abzusprechen. Der Entscheid sei eine Abrechnung und ein „maximales Misstrauensvotum“, sagte der CDU-Fraktionschef Florian Graf, Müller sei „persönlich gescheitert“. Müller beharrte darauf, dass die Entscheidung für einen Weiterbetrieb falsch und schlecht für die Entwicklung der Stadt sei. Die Konsequenzen für die Stadt listeten sowohl Müller als auch die grüne Fraktionschefin Antje Kapek in ihrer Rede auf: so kann der rechtlich bindende Landesentwicklungsplan mit Brandenburg frühestens in drei Jahren verlassen werden – eine einseitige Kündigung sei nicht möglich. Der Widerruf der Betriebsgenehmigung für Tegel ist laut Kapek in frühestens fünf Jahren aussetzbar – rechtliche Unsicherheiten nicht eingerechnet. „Viele Jahre ohne Planungssicherheit, in denen Häuser an Wert verlieren, Bauprojekte platzen und Zukunftspläne von Unternehmen in Schubladen verschwinden“, so Kapek. „Nichts an dieser Stelle wird schnell gehen, nichts kann einseitig entschieden werden“, sagte Müller. Er sagte zu, mit Brandenburg und dem Bund als Anteilseigner der Flughafengesellschaft zu sprechen und habe bereits um einen Termin bei der Bundeskanzlerin gebeten.

40.000 ungültige Stimmen

Derweil müssen Stimmen im Berliner Ortsteil Buckow nachgezählt werden, weil dort in einem Wahlbezirk nur 6,4 Prozent der Wähler für die Offenhaltung gestimmt haben – die Landeswahlleiterin geht von einem Fehler aus. Für Ärger sorgt auch die ungewöhnlich hohe Zahl ungültiger Stimmen beim Volksentscheid – knapp 40 000. Als Grund dafür wird der Merkzettel für die doppelte Briefwahl vermutet, der schlecht formuliert war. Deshalb steckten viele Wähler nicht beide Stimmzettel in den inneren Umschlag, sondern nur den für die Bundestagswahl. Damit war der Zettel für die Volksabstimmung durch den Außenumschlag mit dem Wählernamen verknüpfbar und damit ungültig.

Auch in Brandenburg hat der Berliner Volksentscheid politische Folgen. Inzwischen haben Mitglieder der FDP in Brandenburg einen eigenen Verein mit dem Namen „Brandenburg braucht Tegel“ gegründet, der Unterschriften für eine Volksinitiative sammelt. Begründet wird das Engagement für den Erhalt von Tegel mit der Sorge vor wachsenden Fluggastzahlen auf dem BER. Verhindert werden soll dort eine dritte Start- und Landesbahn.

In diesem Sinne hat auch bereits der erste Bürgermeister einer flughafennahen Gemeinde am BER, Ortwin Baier aus Blankenfelde-Mahlow , eine Klage angekündigt. Er nannte den BER eine komplette Fehlentscheidung.