Ohne das Enteisungsteam würde bei Frost und Schnee am Flughafen Leinfelden-Echterdingen nichts laufen. Mit ihren sogenannten Eisbären ist die Truppe täglich von 3.30 Uhr an im Einsatz.

Leinfelden-Echterdingen - Wenn das Thermometer Minusgrade ankündigt, haben die Enteisungsfachleute am Stuttgarter Flughafen Hochbetrieb. Am Landesairport kümmern sich zwei Unternehmen um die Enteisung der Flugzeuge: die Lufthansa Technik und die Stuttgart Airport Groundhandling GmbH (SAG), eine Tochter der Flughafengesellschaft.

 

Im schlimmsten Fall wird der Start versagt

Ohne die Spezialisten am Boden würde bei eisigen Temperaturen am Flughafen gar nichts laufen. Laut der weltweit geltenden Vorschrift Clean Aircraft Concept (ISO 11076) darf ein Flugzeug nämlich erst dann starten, wenn es vollständig von Eis und Schnee befreit ist und ausreichend vor Neuvereisung geschützt ist. „Das ist notwendig, weil die Vereisung an Tragflächen und Leitwerken die aerodynamischen Eigenschaften des Flugzeugs verschlechtert“, erläutert Peter Nowak von der SAG. Im schlimmsten Fall kann ein vereistes Flugzeug nicht abheben. Ob ein Jet enteist wird, entscheidet letztlich der Pilot. Spätestens 20 Minuten vor dem Abflug muss der Kapitän eine Enteisung bestellt haben.

Minus drei Grad zeigt das Thermometer an, als Peter Nowak und sein Team mit ihren Eisbären an jenem frühen Morgen ausrücken. So nennen die Männer die speziellen High-Tech-Fahrzeuge, mit denen sie die Flugzeuge von Schnee und Eis befreien. Auf sogenannten Pads – das sind spezielle Haltepositionen auf dem Rollfeld – werden die vereisten Flugzeuge von den leistungsstarken Lastkraftwagen in Empfang genommen, um sie flugfähig zu machen. Der Großteil der Flugzeuge wird unmittelbar vor dem Start bei laufenden Triebwerken enteist.

Sie arbeiten sich zum Rumpf vor

Unter den neugierigen Blicken der Passagiere rücken die Enteisungsspezialisten mit ihren mächtigen Fahrzeugen Eis und Schnee zu Leibe. Über Joysticks in der Kabine steuern Peter Nowak und sein Kollege den bis auf 19 Meter Höhe ausfahrbaren, hydraulischen Schwenkarm und die Sprühdüsen, aus denen das Enteisungsgemisch strömt. Dabei handelt es sich um eine Heißwasser-Glykol-Lösung. Über Sprechfunk halten die Enteiser nicht nur untereinander Kontakt, sondern auch zum Piloten und zum Tower. „Wir sprühen immer von außen nach innen und arbeiten uns dann zum Rumpf vor“, sagt Peter Nowak, der seit fünf Jahren bei der SAG arbeitet. Je nach Flugzeuggröße und Wetterlage werden pro Maschine 200 bis 1000 Liter Enteisungsflüssigkeit verbraucht. Die Eisbären haben ein Fassungsvermögen von 8000 Litern. „Im Schnitt dauert eine Enteisung bei uns acht Minuten“, sagt Peter Nowak.

Abgerechnet wird litergenau mit den jeweiligen Airlines. Was das Enteisen kostet, will Nowak nicht sagen. „Wir lassen uns nicht unter Druck setzen, auch wenn eine Maschine durch die Enteisung unter Umständen nicht pünktlich abheben kann. Sicherheit ist für uns das oberste Gebot“, betont der 33-Jährige.

Die Enteiser müssen hohe Standards erfüllen und tragen hohe Verantwortung. Rund 1000 Maschinen hat sein Team in der Wintersaison 2014/15 enteist. 2015/16 waren es 857 Flugzeuge. Die 38 Männer arbeiten im Zwei-Schicht-Betrieb. Arbeitsbeginn ist um 3.30 Uhr, wenn die ersten Maschinen vorenteist werden.

Auch im Sommer sind sie teils im Einsatz

Die Enteisungssaison am Landesflughafen dauert offiziell von Anfang Oktober bis Ende April. Allerdings können auch im Sommer Enteisungen nötig sein. Treibstoffreste in den Tragflügeltanks können sich nach einem langen Flug auf unter minus 30 Grad Celsius abkühlen. Bei Regen oder hoher Luftfeuchtigkeit kann auf der eiskalten Tragflächenoberseite sogenanntes Klareis entstehen. „Mit bloßem Auge können diese gefährliche Schicht nur Experten erkennen“, sagt Peter Nowak. Meist sei eine Kontrolle per Hand nötig, um sicher zu sein.

Den Sommer nutzen die Enteiser, um an einem ausgedienten Flugzeug zu üben. „Das Training und die regelmäßigen Schulungen sind verpflichtend“, sagt Peter Nowak, der gemeinsam mit seiner Kollegin Marie Kaden die Enteisungstruppe der SAG am Flughafen Stuttgart koordiniert und leitet. Dennoch steigt der 33-Jährige so oft es geht selbst in den Eisbär. „Da steckt eine große Leidenschaft dahinter, und die Arbeit macht mir unheimlich viel Spaß“, sagt Peter Nowak. „Außerdem hat es irgendwie einen romantischen Charakter, wenn man bei eisigen Temperaturen den Sonnenaufgang auf dem Rollfeld beobachten kann.“