Gelegenheit macht Diebe: Das hat die Abteilung für verlorene Gepäckstücke am Stuttgarter Flughafen schmerzhaft erfahren müssen. In ihren eigenen Reihen fand sich eine Langfinger.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Gelegenheit macht Diebe. Das hat die Abteilung für verlorene Gepäckstücke am Stuttgarter Flughafen schmerzhaft erfahren müssen. In ihren eigenen Reihen fand sich ein Langfinger. Er soll liegengebliebene Wertsachen gestohlen und Koffer nach Stehlenswertem durchwühlt habe. Die Polizei hat den 35-jährigen Mann aus dem Kreis Ludwigsburg gefasst. Der Flughafen hat den Mitarbeiter sofort suspendiert und entlassen. 17 Anzeigen von Opfern liegen vor, deren gestohlene Gegenstände einen Wert von rund 6500 Euro haben. Da die Polizei Hinweise auf weitere Fälle hat, in denen keine Anzeige erstattet wurde, geht sie insgesamt von einem Schaden von rund 10 000 Euro aus.

 

Die Serie hat im Juni 2016 begonnen

Im Flughafen ist man noch immer erstaunt, dass der Ex-Mitarbeiter quasi unter den Augen der Kollegen stahl. Er arbeitete für die Abteilung Lost & Found, die für verloren gegangene, nachgeschickte, herrenlose und beschädigte Koffer zuständig ist. Der Mann musste unter anderem als Kurier die Taschen und Koffer mit einem Fahrzeug auf dem Flughafengelände von A nach B bringen. Also entweder vom Fundort zur Sammelstelle oder von dort zum Bus, der die Gepäckstücke an die Fluggäste ausliefert. Dabei soll er sich in den Koffern bedient haben. Die Diebstahlserie begann im vergangenen Juni. „Natürlich hatte man nach den ersten Fällen noch keinen unmittelbaren Zusammenhang gesehen“, sagt der Polizeisprecher. Im Herbst ergab sich dann der Verdacht, dass jemand systematisch vorgegangen sein muss. Immer häufiger seien Handys oder Geldbeutel verschwunden, die das Reinigungspersonal nachweislich in den Flugzeugen gefunden und an das Bodenpersonal abgegeben habe. Die Polizei habe dann durch umfangreiche Ermittlungen die Kreise um den Tatverdächtigen immer enger ziehen können, so der Sprecher. So glichen die Ermittler Schichtpläne ab, um herauszufinden, wer zu den Tatzeiten arbeitete. Ein gestohlener Rechner konnte geortet werden, diese Spur führte schnurstracks zur Wohnadresse des Tatverdächtigen.

Viele Bereiche des Flughafens sind videoüberwacht

„Eigentlich geht es bei uns sehr sicher zu“, sagt Flughafensprecher Johannes Schumm. „Die Mitarbeiter sind vom Regierungspräsidium überprüft.“ Wer kein lupenreines Führungszeugnis vorweisen könne, komme nicht als Flughafenmitarbeiter infrage. „Außerdem sind viele Bereiche bei uns videoüberwacht und, wenn Lost & Found einen Koffer öffnen muss, dann gilt auf jeden Fall das Vier-Augen-Prinzip. Kein Mitarbeiter darf alleine einen Koffer aufmachen“, erläutert der Sprecher.

In der Wohnung des Tatverdächtigen fand die Polizei einige der als gestohlen gemeldeten Gegenstände. Fehlende Geldbeträge, die er aus abgegebenen Portemonnaies genommen haben soll, seien freilich nicht mehr nachweisbar. Zudem habe die Polizei Hinweise auf bereits verkaufte Beutestücke. Der Mann blieb auf freiem Fuß.

Zu den Opfern zählt auch ein Journalist aus Filderstadt. Er war im Januar nach Norwegen geflogen, dienstlich, deswegen hatte er auch seine Fotoausrüstung im Koffer. Der Koffer kam in Norwegen nie an, laut der Fluggesellschaft hatte er den Stuttgarter Flughafen nie verlassen. Als der Journalist seinen Koffer nach der Rückkehr wieder bekam, fehlten eine Spiegelreflexkamera mit Objektiv, ein Fernglas und weitere Ausrüstungsgegenstände. „Das Stativ habe ich wiederbekommen, aber vom Rest ist nichts mehr da“, berichtet das Diebstahlsopfer. Er wurde inzwischen von der Fluggesellschaft mit 1400 Euro entschädigt. Diese kann sich später im Zuge einer Zivilklage das Geld zurückholen, so dem Verdächtigen die Taten nachgewiesen werden können.

Unter den Beutestücken waren auch Parfumflaschen und Olivenöl

Die Liste des Diebesguts umfasste neben der Kamera des Journalisten vor allem elektronische Geräte wie Tabletrechner, Handys und Laptops. Aber auch alkoholische Getränke oder Parfumflaschen, von den Passagieren zuvor im Duty-Free-Verkauf erworben, soll er sich gegriffen haben. In einem Fall wird der 35-jährige Mitarbeiter verdächtigt, eine Flasche besonders feinen spanischen Olivenöls aus dem Koffer eines Urlaubsheimkehrers gezogen zu haben, sagt der Polizeisprecher.

Die weiteren Ermittlungen sollen nun unter anderem klären, ob die Staatsanwaltschaft dem Mann am Ende den Vorwurf des gewerbsmäßigen Diebstahls machen kann. An der Grenze dazu sei die Diebstahlserie ziemlich sicher, so der Polizeisprecher.

Am Flughafen ist man immer noch fassungslos: „Wir waren entsetzt: Das Vorgehen setzt eine hohe kriminelle Energie voraus“, fügt er hinzu.