Flughafen Stuttgart Flughafen-Chef rechnet mit steigenden Ticketpreisen

Doppelspitze am Flughafen: Ulrich Heppe (links) und Carsten Poralla für die Airport-Gesellschaft in Stuttgart. Foto: Ines Rudel

Flugreisen stehen wegen der Diskussion um den Klimawandel unter verschärfter Beobachtung. Die Stuttgarter Flughafenchefs sagen im Interview, wie sie auf die veränderten Rahmenbedingungen reagieren.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Der Flughafen Stuttgart befindet sich nach dem Einbruch der Reisendenzahlen durch die Corona-Pandemie auf Erholungskurs. Allerdings kommen die Passagiere auf den Fildern langsamer zurück, als an anderen Flughäfen. Woran das liegt, wie sich der Flughafen der Klima-Diskussion stellt und was sich in den nächsten Jahren am Manfred-Rommel-Flughafen ändern wird, erklären im Interview die Flughafen-Chefs Ulrich Heppe und Carsten Poralla. Letzterer ist seit gut 100 Tagen im Amt.

 

Herr Poralla, Sie sind jetzt seit gut 100 Tagen in der Geschäftsführung des Flughafens Stuttgart. Von Ihrem Vorgänger haben Sie ein Megaprojekt geerbt. 2,4 Milliarden Euro wollen Sie investieren, um den Flughafen klimaneutral zu machen. Ist das angesichts des Kerosinausstoßes nicht ein Feigenblatt?

Poralla Nein, das ist es nicht. Es gibt ein Klimaschutzgesetz in Baden-Württemberg und das beachten wir. Es wird in Zukunft alles sehr viel sauberer werden. Zugegeben: für den Flugbetrieb ist das schwieriger als für unseren Bereich am Boden. Aber beides zusammen wird miteinander geschehen müssen.

Heppe Natürlich haben die Airlines einen großen Anteil an den CO2-Emissionen. Unser klares Ziel ist es, bis 2040 unsere Emissionen am Boden auf Null zu bringen. Die Airlines werden dieses Ziel 2050 in der Luft erreichen. Das ist das Ziel für die Branche.

Wo sind Ihre Hebel auf dem Weg zum klimaneutralen Flughafen?

Poralla Wir haben Gebäude, die – wie etwa unser Terminal 1 – 30 Jahre alt sind. Die sind gut instandgehalten worden. Aber die Gebäudetechnik ist einfach nicht mehr auf dem Stand der Zeit. Fast 50 Prozent unseres Stromverbrauchs haben wir in den Terminals. Da setzen wir an, aber auch bei der Gebäudehülle.

Was erwartet die Passagiere während der Umsetzungsphase?

Poralla Wir bauen unter laufendem Betrieb. Als Bauingenieur würde ich mir da natürlich etwas anderes wünschen, aber das geht nicht. Klare Prämisse ist: Der Flughafen muss während der Bauphase immer die Passagierzahlen bewältigen können.

Am Flughafen Stuttgart erholen sich die Fluggastzahlen nach dem Einbruch während der Corona-Pandemie schleppender als anderswo. Woran liegt das?

Heppe Wir rechnen damit, dass wir dieses Jahr 8,3 Millionen Passagiere haben werden. Das sind 13 Prozent mehr als vergangenes Jahr. Wir hatten ursprünglich sehr viel Geschäftsverkehr und innerdeutschen Verkehr. Da ist viel auf die Schiene abgewandert, wir haben nun weniger Direktverbindungen in Deutschland. 2019 gab es zudem viel Ultralowcost-Verkehr in Stuttgart mit Ryanair, mit Lauda und mit Easyjet. Die alle sind abgezogen fast aus ganz Deutschland.

Ist es vor dem Hintergrund der Klimawandeldiskussion überhaupt ein erstrebenswertes Ziel, die Vorcorona-Zahlen zum Maßstab zu erheben?

Heppe Der Luftverkehr wird mittelfristig weiter zunehmen. Das Bundesverkehrsministerium geht davon aus, dass bis 2050 67 Prozent mehr Flugverkehr stattfindet. Die großen Wachstumsraten aus der Zeit vor Corona, die vor allem vom Ultralowcost-Segment getrieben wurden, werden wir aber nicht mehr sehen.

Was bedeutet das für die Passagiere?

Heppe Fliegen wird teurer, das haben die Fluggäste auch verstanden. Die Airlines müssen nun im Zuge des Europäischen Emissionshandels ETS für das, was sie ausstoßen, bezahlen. Das wurde zuletzt sehr verschärft durch den Gesetzgeber.

Wie stark verteuern sich dadurch die Tickets?

Heppe Die Preise sind schon jetzt deutlich höher als vor der Corona-Krise. Und trotzdem werden diese Tickets bezahlt. Die Airlines bilden die Preise, wir als Flughafen haben darauf kaum Einfluss. Derzeit dürften die Preise mit Sicherheit im Schnitt 20 Prozent teurer als vor der Pandemie sein.

In den vergangenen Jahren wurde unter dem Stichwort Airport City der Bürostandort am Flughafen gestärkt. Ist diese Entwicklung mit dem Trend zum Homeoffice beendet?

Poralla Wir bekommen hier am Flughafen ab 2027 einen Fernbahnhalt. Für viele Unternehmen ist die Möglichkeit einer nachhaltigen Anreise ein wichtiges Kriterium für einen möglichen Bürostandort. Wir haben noch verschiedene Baufelder, die wir entwickeln können. Wenn es die Nachfrage gibt, können wir loslegen.

Ihr Umfeld beobachtet Sie kritisch. Gegen die neuen Abflugrouten klagen die betroffenen Kommunen. Wie lässt sich der Konflikt entschärfen?

Heppe Die Route ist nicht in Stein gemeißelt, im Moment läuft der Probebetrieb. Danach muss die Fluglärmkommission eine Empfehlung aussprechen. Einer der Treiber war die Frage, wie viel Kerosin dadurch gespart werden kann.

Wenn es nach der Linksfraktion im Stuttgarter Gemeinderat geht, fällt alsbald eine Lärmquelle weg. Sie fordert, den Betrieb von Privatjets zu verbieten. Geht das?

Heppe Der Anteil dieses Segments ist gering. Im vergangenen Jahr hatten wir mehr als 85 000 Flugbewegungen, acht Prozent davon waren Privatflüge. Es ist ein kleines Segment, das es aber nicht ohne Grund gibt. Häufig sind das Unternehmen, die zu Werken fliegen, die sonst keine direkte Anbindung haben. Der Betrieb solcher Flugzeuge ist relativ teuer. Wer sich das sparen kann, tut das auch. Das muss man mit abwägen, wenn man populistisch fordert: keine Privatflüge. Wir haben zudem einen öffentlichen Auftrag, Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Wer in Europa als Airline registriert ist, darf bei uns auch fliegen.

Amsterdam hat ein solches Verbot erlassen und der Rat der Stadt Düsseldorf hat eines beschlossen. Warum geht es dort?

Heppe Dort geht es um Nachtflugreduzierungen. Da sind wir in Stuttgart längst weiter, weil wir eine strenge Nachtflugbeschränkung haben. Die Privatflieger sind im übrigen Innovationstreiber, was umweltfreundliches Fliegen angeht. Die werden als allererstes elektrisch fliegen.

Taugen die kleinen Flugzeuge tatsächlich als Blaupause für die Dekarbonisierung der großen Flotten?

Heppe Es gibt einen Dreiklang: maximal verschärfter Emissionshandel, sparsames Fluggerät und nachhaltiges Flugbenzin. Dadurch schaffen wir es, bis 2050 emissionsfrei zu fliegen. Wer es zu diesem Zeitpunkt nicht kann, verschwindet vom Markt.

Bei alldem kann der Flughafen kaum etwas beitragen.

Heppe Klimaschutz beim Fliegen ist Teamarbeit. Wir wollen Ermöglicher sein und haben hier das Exzellenzzentrum für Wasserstoff zusammen mit dem Start-Up H2fly. Neue Technologien müssen erforscht und erprobt werden. Da ist Baden-Württemberg gut positioniert. Im Umkreis von 70 Kilometern finden wir hier alle nötigen Zulieferer. Die Kurzstrecke solle künftig mit der Brennstoffzelle geflogen werden, die Mittelstrecke durch Direktverbrennung von grünem Wasserstoff und die Langstrecke durch nachhaltigen Flugzeugtreibstoff. 43 Prozent des CO2 der Luftfahrt in Europa werden auf Strecken ausgestoßen, die kürzer als 2000 Kilometer sind. Das kann die Brennstoffzelle abbilden. Ich möchte, dass die Menschen nach Stuttgart kommen, um zu sehen, wie klimaneutrales Fliegen geht.

Eine Doppelspitze führt die Geschäfte am Stuttgarter Flughafen

Geschäftsführung
  Die beiden Geschäftsführer teilen sich die Aufgaben. Vereinfacht gesagt: Ulrich Heppe kümmert sich um alles, was mit dem Fliegen und der Abfertigung zu tun hat, der sogenannten Aviation. Carsten Poralla ist dementsprechend für die Non-Aviation zuständig, also für die Infrastruktur am Boden.

Flugbetrieb
 Ulrich Heppe ist seit 1. März 2022 Geschäftsführer am Flughafen, seit 1. Februar 2023 fungiert er zudem als Sprecher der Geschäftsführung. Der Jurist ist ein ausgesprochener Airport-Fachmann. Ehe er nach Stuttgart kam, hatte er Stationen am Frankfurter Flughafen sowie an Flughäfen im Ausland.

Infrastruktur
Carsten Poralla komplettiert seit 1. Februar 2023 die Geschäftsführung der Flughafen Stuttgart GmbH. Der Bauingenieur war davor Leiter der Unternehmensinfrastruktur bei der Energie Baden-Württemberg. In anderer Funktion hat er unter anderem den Bau des Porsche-Museums begleitet.

Weitere Themen