Fluglärm in der Region Stuttgart So verlief der erste Tag mit den neuen Flugrouten

Abgehoben – am Donnerstag am Flughafen Stuttgart. Der Lärm, der durch die Flugzeuge verursacht wird, ist Dauerthema in der Region. Foto: Horst Rudel

Am Donnerstag ging die neue Flugroute in Richtung Süden in den Regelbetrieb. Was passierte am Himmel, bei den Befürwortern und den Gegnern im Kreis Esslingen?

Formal gesehen ist der jahrelange Streit über die neuen Flugrouten Geschichte. Auch die Frage, ob die Lärmschutzkommission eine Empfehlung an das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung und die Deutsche Flugsicherung abgegeben hat oder nicht, ist – eigentlich – eine von vorgestern. Doch seit Donnerstag befinden sich die neuen Flugrouten im Regelbetrieb, während die Aktivitäten dafür und dagegen keineswegs ruhen.

 

In der Frage, ob es eine Empfehlung der Lärmschutzkommission gegeben habe, geht es um semantische Feinheiten. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) erklärte in der vergangenen Woche, es läge keine „Empfehlung“ vor. Wörtlich: „Die Fluglärmkommission (FLK) Stuttgart hat in ihrer Sitzung am 6. Mai keine Empfehlung für oder gegen die neuen Tedgo-Abflugverfahren an das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung gerichtet.“

Dagegen verwehrte sich Aichtals Bürgermeister Sebastian Kurz: „Es ist ein beispielloser Affront und an Ignoranz kaum zu übertreffen, zu behaupten, die Fluglärmkommission habe keine Empfehlung abgegeben.“ Nun hat sich am Donnerstag der FLK-Vorsitzende Christof Bolay eingeschaltet: „Aus meiner Sicht ist die Sachlage sehr eindeutig. Es gab zwar einen Beschluss, aber keine Empfehlung durch die Kommission.“ Genau genommen gibt es nur die Ablehnung eines Beschlusses, wie unsere Zeitung aus informierten Kreisen erfuhr: Der „Beschlussvorschlag“, sich für die Änderungen der Abflugroute auszusprechen, wurde mit sechs Nein- und fünf Ja-Stimmen abgelehnt. Zudem gab es fünf Enthaltungen.

Die Diskussion geht weiter

Das Thema und die semantischen Feinheiten werden vermutlich bei der nächsten Sitzung der FLK weiterdiskutiert. Bis dahin werden allerdings schon viele Flugzeuge die neue Route geflogen haben: Anberaumt ist sie im Dezember.

Derweil wächst der Ärger bei den Gegnern der neuen Route, die sich betrogen fühlen: Sie beschwerten sich bereits bei Landesverkehrsminister Winfried Hermann – der allerdings verhältnismäßig machtlos ist, denn die Entscheidung, wann welches Flugzeug über welchen Balkon fliegt, liegt in der Hand des BAF. In dem Brief der Bürgerinitiative „Vereint gegen den Fluglärm“ wird Hermann hart angegangen: „Der Konflikt eskaliert, während Ihr Verhalten, Herr Minister, an die berühmten drei Affen erinnert, die nichts sehen, nichts hören und nichts sagen wollen. Wir fordern Sie hiermit auf, Ihrer Verantwortung als Verkehrsminister gerecht zu werden und in den verfahrenen Prozess einzugreifen.“

Und darum geht’s: Die neue Flugroute entlastet einen Teil der Bevölkerung etwa im Neckartal oder Ostfildern-Nellingen, belastet dafür aber andere, zum Beispiel in Aichtal und Nürtingen. Befürworter sagen, dass es nur gerecht sei, wenn der Lärm auf mehrere Schultern verteilt wird. Gegner behaupten, dass die Entlastung in keinem Verhältnis stehe zur Belastung. Um Erkenntnisse zu gewinnen, gab es einen einjährigen Probebetrieb, der im Februar endete. Den jetzigen Regelbetrieb begründet das BAF damit, dass die Entlastung überwiege. Zudem sei der Treibstoffverbrauch und damit auch der CO2-Ausstoß geringer. Dass es ein „Votum“ der FLK gab, ist dem BAF gegenwärtig. „Selbstverständlich steht es der FLK frei, Beschlüsse hierzu zu fassen und dem BAF mitzuteilen, welches Verhalten sie erwartet. Das BAF ist verpflichtet, sich mit den Empfehlungen auseinanderzusetzen, die Entscheidung obliegt aber dem BAF“, heißt es trocken. In diesem Fall folgte das BAF nicht der Abstimmung in der FLK.

Derweil tat sich am Himmel nicht viel. Der Wind wehte am Donnerstag flau gen Westen. Die neue Route wird aber nur bei Ostwind geflogen. Deshalb blieb zumindest an diesem Tag alles beim Alten.

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