Das Jahr 2014 neigt sich dem Ende zu, ohne dass bisher Zahlen und Fakten zum Fluglärm in Stuttgart und Umgebung im vergangenen Jahr veröffentlicht worden sind. Der Beauftragte wird von Bürgern kritisiert.

Stuttgart - Das Jahr 2014 neigt sich dem Ende zu, ohne dass bisher Zahlen und Fakten zum Fluglärm in Stuttgart und Umgebung im vergangenen Jahr veröffentlicht worden sind. Dass der 20-seitige Bericht für 2013 des Lärmschutzbeauftragten für den Stuttgarter Flughafen auf sich warten lässt, liegt nicht etwa daran, dass der Beauftragte Klaus Peter Siefer im Regierungspräsidium (RP) Stuttgart trotz der großen Vielfalt seiner Aufgaben Einzelkämpfer ist – die entscheidende Statistik ist sei Mai fertig. „Eine ständig präsente Vertretung angesichts begrenzter Personalressourcen“ war schon bei seinem Vorgänger weder für „möglich noch für notwendig“ erachtet worden. Auch ist nicht der Umfang an Beschwerden ursächlich für die Verzögerung; die Menge lärmgeplagter Anwohner, die Siefer kontaktieren, ist nach ersten Informationen über den Inhalt 2013 sogar um 26 Prozent gesunken. Ausschlaggebend ist laut RP-Sprecher Robert Hamm allein der Wunsch nach „Aktualität“.

 

Beschwerden über Fluglärm mit großen Ausschlägen

Die vom Flughafen beantragte und vom Landesverkehrsministerium Mitte September 2014 genehmigte Verschärfung der Nachtflugbeschränkungen – ein „zentrales Ergebnis der Lärmaktionsplanung“ – sollte unbedingt redaktionelle Berücksichtigung finden. Und zwar im kurzen Ausblick auf das zu Ende gehende Jahr 2014 im Lärmbericht für das vergangene Jahr. Nachdem dies nun tatsächlich geschehen sei, stünde einer Veröffentlichung in den nächsten Tagen nichts mehr entgegen, betont das RP.

Postflüge können nicht mehr leiser werden

Das ist nicht leicht zu verstehen, zumal die Wirkung dieser neuen Regelung doch sehr überschaubar ist: Das Ministerium hat zwar ermittelt, dass dadurch theoretisch 178 Flüge knatternder Propellerflugzeuge nicht hätten fliegen dürfen – allerdings in einem Zeitraum von fünf Jahren. Und auch die Botschaft, dass Nachtpostflüge nur noch mit Maschinen erfolgen dürfen, die die höchsten Lärmanforderungen erfüllten, dürfte die geplagten Anwohner nicht in Euphorie versetzen. Denn Klaus Peter Siefer hat schon im Juni in seiner Antwort auf eine Beschwerdemail deutlich gemacht, dass die Flugzeuge der Post die neuen Voraussetzungen längst erfüllten, es also gar nicht mehr leiser werden könnte.

Im Kontakt mit Bürgern trifft der Lärmschutzbeauftragte häufig auf Skepsis und Ablehnung. Das liegt in der Natur der Sache. Man erwartet von ihm sofortige Abhilfe, wenn es vor der eigenen Tür zu laut wird und verlangt nicht selten, die Flugzeuge sollten stattdessen über andere Gemeinden fliegen. Oft wird der Hinweis, sich per Mail zu äußern, auf den Anrufbeantworter zu sprechen und sich im Falle von Abwesenheit des Beauftragten einige Wochen zu gedulden, nicht als zielführend erachtet.

Die Möglichkeiten sind begrenzt

Auch wenn es die Anrainer gerne anders sehen würden: die technischen und taktischen Möglichkeiten, den Fluglärm noch weiter zu drosseln, sind limitiert. Die Stellschrauben, auf die Siefer in seinem Bericht hinweist, können nur wenig gedreht werden. Im Einzelfall etwas zum Positiven zu verändern, räumt der Beauftragte in seinem neuesten Bericht (aus dem Jahr 2012) ein, sei nur dann möglich, falls ein Pilot gegen einschlägige Vorschriften verstoßen habe. Das sei aber in deutlich weniger als einem Prozent der Beschwerden der Fall. Oder andersherum: Mehr als 99 Prozent der rund 1500 Beschwerden jährlich könnten sich die Anwohner eigentlich schenken.

Privatleute fühlen sich ab und an provoziert,

Angesichts dieser klaren Faktenlage böte sich im Dialog mit den Betroffenen ein unaufgeregter Umgangston an, wie Siefer ihn in den Beratungen und Informationsveranstaltungen mit Vertretern der Kommunen, der Flugsicherung, dem Flughafenbetreiber und den Vertretern der Airlines oder der Fluglärmkommission pflegen dürfte; von dieser Seite sind keine Klagen laut geworden.

Privatleute fühlen sich dagegen ab und an provoziert, sodass sie Dienstaufsichtsbeschwerden beim RP eingereicht haben. Wie viele es bisher waren, will Sprecher Robert Hamm nicht sagen. Es sei aber normal, dass die Arbeit der Kollegen an exponierter Stelle vom Bürger kritisch gesehen werde. Siefer leiste jedenfalls eine schwierige Arbeit, und er leiste sie aus Sicht seiner Chefs sehr gut.

Zu „persönlichen“ Ton kritisiert

In einer Beschwerde vom Juni sieht sich der Lärmschutzbeauftragte etwa dem Vorwurf ausgesetzt, einen zu „persönlichen“ Ton angeschlagen zu haben. In der betreffenden Mail schrieb er einer Flughafenanrainerin, er habe sich natürlich vor seinem eigenen Umzug über die Lärmquellen am neuen Wohnort informiert. Nach Berkheim, wo die Beschwerdeführerin wohnt, wäre er selbst nie gezogen.

In einer Art Dauerfehde befindet er sich auch mit der Vaihinger Initiative Fluglärm Stuttgart. Ihr Sprecher Claus Günther wirft Siefer nun vor, Beschwerden unter den Tisch fallen zu lassen, auch solche von Bürgern verschiedener Gemeinden, die sich an die Gruppe gewandt haben. Tatsächlich ist die Zahl der eingegangenen Beschwerden, die alle beantwortet würden, deutlich höher als die in der Statistik dargestellten.

Enorme statistische Ausschläge

Das versucht das Regierungspräsidium damit zu erklären, dass einige wenige „Hauptbeschwerdeführer“, deren Anteil an der Gesamtzahl der Meldungen mehr als fünf Prozent beträgt, außer Acht gelassen werden. Sie würden sonst die Statistik extrem verfälschen. Wegen der doch überschaubaren Zahl an Klagen, zwischen 1500 und 2400 pro Jahr, sind die Ausschläge nach oben und unten oft enorm. Daran hatte sich vor der Einführung der „Dauernörglergrenze“ 2010 aber niemand gestört, auch war keine Verzerrung beklagt worden.

Redaktionelle Änderung in künftigen Berichten

2012 hatte eine Person mit 240 Klagen einen Anteil von 16 Prozent am Gesamtaufkommen – das waren fast doppelt so viele Reaktionen wie aus ganz Leinfelden-Echterdingen gemeldet wurden. Dennoch kritisiert die Initiative Fluglärm die Festlegung auf fünf Prozent. Vor allem aber steht die Frage im Raum, warum im konkreten Fall alle 240 Beschwerden aus der Statistik gefallen sind – und nicht nur jene 168, die über der Fünf-Prozent-Hürde lagen. Jeder andere Beschwerdeführer, der sich 2012 lediglich bis zu 72 Mal (fünf Prozent) an den Lärmschutzbeauftragten gewandt hat, wurde komplett in der Statistik berücksichtigt. Das RP begründet dies damit, dass es keine Grundlage für eine Auswahl von 72 zu wertenden Beschwerden gebe.

Eine redaktionelle Änderung erfahren die künftigen Berichte dennoch. Siefer darf künftig nicht mehr den Eindruck erwecken, Anfragen wegen nächtlichen Hubschrauberlärms seien unsozial. Die persönliche Anmerkung, jeder Bürger sollte bedenken, dass ein solcher Einsatz für ihn „oder ihm nahestehende Menschen“ einmal wichtig sein könnte, wird gestrichen.

Die Flugverläufe im Überblick