Die neue Flugroute in Richtung Süden über den Wegpunkt TEDGO ist während des Probebetriebs an 196 Tagen nicht geflogen worden. Dieses neue, verkürzte Abflugverfahren ist nur an Tagen mit Ostwind möglich. In der Sitzung der Fluglärmkommission am 6. Mai wurde die neue Route abgelehnt. Mit sechs Ja-Stimmen, fünf Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen fiel das Votum dagegen aus. Der Lärmgutachter Markus Petz von der Firma Accon hat die Auswertung des einjährigen Probebetriebs auf der neuen Route sehr ausführlich vorgestellt. Die Deutsche Flugsicherung (DFS) zog ein positives Fazit des einjährigen Probebetriebs. Dagegen sehen die Bürgerinitiative „Vereint gegen Fluglärm“ und die Gegner der Route ihre Kritik durch die Messwerte bestätigt.
Das Verfahren sei „ohne Probleme“ genutzt worden, so die Experten der Flugsicherung. Sie haben „eine hohe Spurtreue und keine sicherheitsrelevanten Auffälligkeiten festgestellt“. Derzeit wird auf der neuen Route weiter wie zu den Bedingungen des Probebetriebs geflogen – das bedeutet, die Flüge sind pro Stunde auf ein bis zwei gedeckelt. „Wir warten das Protokoll der Fluglärmkommission ab“, sagte Kerstin Weber, Sprecherin des Bundesaufsichtsamts (BAF) für Flugsicherung in Langen. Aufgrund einer „Handlungsempfehlung“ der FLK werde die Bundesbehörde dann entscheiden.
Nach den Worten von Christof Bolay, dem Vorsitzenden der Fluglärmkommission für den Flughafen Stuttgart, werde es eine „Handlungsempfehlung“ nicht geben. Nürtingens OB Johannes Fridrich geht davon aus, dass die in der Kommission vertretenen Gegner ihr Votum aber begründen. Zwei Vertreter des BAF waren nach den Worten von Bolay bei der Sitzung zugegen: „Sie waren bei der Diskussion dabei und haben sich mit den Argumenten auseinandergesetzt.“ Auch die Bürgermeister der neu betroffenen Kommunen Nürtingen, Aichtal, Wolfschlugen waren dabei, allerdings ohne Stimmrecht – Denkendorf und Neuhausen haben einen festen Sitz in der Kommission.
Zwölf Messpunkte liefern Ergebnisse
Die bisherige Flugroute führte über Wernau, Deizisau, Wendlingen und Esslingen. Durch verkürzte Verfahren sind Nürtingen, Wolfschlugen und Aichtal neu betroffen. Zurzeit sind die Flüge auf der neuen Strecke noch auf ein bis zwei pro Stunde gedeckelt. Zudem kann die neue Strecke nur bei bestimmten Wetterbedingungen geflogen werden. Nach den Worten des Büros von Markus Petz, das auf schallschutztechnische Untersuchungen spezialisiert ist, wurden an zwölf Messpunkten an der neuen und der alten Route Lärmmessungen durchgeführt. „Im Jahr des Probebetriebs vom 23. Februar 2023 bis 22. Februar 2024 weist das Flugbuch insgesamt 87 313 Flugbewegungen aus“, heißt es in dem Gutachten. Davon entfallen 4093 Starts auf Flugstrecken über den Meldepunkt TEDGO, was einem Anteil von 4,7 Prozent aller Flugbewegungen innerhalb des Jahres entspricht. Die neue Flugroute wurde demnach „1126-mal gewählt, was einem Anteil an den Gesamtbewegungen von 1,29 Prozent entspricht. Auf dem alten Routenverlauf fanden 2967 Starts statt, also mit einem Anteil von 3,40 Prozent an den Gesamtbewegungen. Das Fazit von Petz lautet, dass die Messergebnisse „aufgrund früherer Prognosen so erwartbar waren.“ Die Ergebnisse der auf einen Monat begrenzten Kurzzeitmessungen vor und nach dem Probebetrieb zeigen, dass sich die Belastungen verschieben. In Wolfschlugen etwa steigt die Lärmbelastung an einem der zwei Messstandorte von 21,7 Dezibel im Januar 2022 auf 36,8 Dezibel im Juni 2023, als die neue Strecke geflogen wurde. Auch in Nürtingen-Hardt sind die Auswirkungen deutlich zu spüren mit 33,6 Dezibel vor und 41,6 Dezibel während des Probebetriebs. Dagegen wird Wernau im Neckartal deutlich entlastet. Vor dem Probebetrieb wurden dort 32,5 Dezibel gemessen; während des Betriebs waren es 27,9 Dezibel. Deutlich stärker belastet ist Deizisau mit 51,5 Dezibel, Altbach mit 49,7 Prozent und Plochingen mit 46,6 Prozent – hier wurde während des Probebetriebs gemessen.
„Die Sachargumente gegen die neue Route überwiegen“, sagte Nürtingens OB Fridrich. Die Expertise zeige, „dass deutlich mehr Menschen belastet werden.“ Die Neckartalkommunen können aus seiner Sicht auf andere Weise deutlich mehr entlastet werden, etwa mit einer Optimierung der alten Routen. Für Rolf Keck, den Sprecher der Bürgerinitiative „Vereint gegen Fluglärm“, ist das Argument der Entlastung der Menschen im Neckartal „längst entkräftet“. In der Expertise des Schallschutzgutachters fehlt ihm die gründliche Betrachtung der Einzelschallereignisse: „Wenn wir um 6 Uhr morgens durch laute Flugzeuge geweckt werden, ist das eine massive Verschlechterung.“ Die Initiative will nach seinen Worten „an der Begründung für das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung mitwirken“.
Fazit des schallschutztechnischen Gutachtens
Die Messungen
Um den Betrieb auf der neuen Flugroute optimal auszuwerten, hat eine Arbeitsgruppe der Fluglärmkommission einen Katalog erarbeitet, wie der Flugbetrieb messtechnisch begleitet werden soll. Neben Mitgliedern der Fluglärmkommission waren auch Vertreter der neu betroffenen Kommunen vertreten, um die Begleitung des Probebetriebs auf der neuen Route festzulegen.
Grenzszenario
Auf Anregung der Initiative „Vereint gegen Fluglärm“ haben die Gutachter ein Grenzszenario erarbeitet – dabei wurde die Nutzung sämtlicher Routen der alten Strecke ausgeschlossen. In den neu negativ betroffenen Siedlungsgebieten Wolfschlugen und Nürtingen-Hardt wurden dabei maximale Fluglärmbelastungen von tags 45 bis 46 Dezibel prognostiziert. Dem gegenüber stehen abnehmende Fluglärmbelastungen in Gebieten mit Fluglärmbelastungen von größer 50 Dezibel tags wie in Altbach und Deizisau.