Carsten Hansen betreibt in Backnang einen Flugsimulator mit dem Cockpit-Nachbau einer Boeing 747. Wir haben mit dem Jumbojet einen Testflug von Frankfurt nach Stuttgart unternommen.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Kaum haben wir bei unserem Sinkflug die Wolkendecke durchquert, liegen funkelnde Lichter unter uns. „Das müsste Leonberg sein“, sagt Carsten Hansen. Leicht südöstlich liegt unser Ziel, der Flughafen Stuttgart. Hansen checkt noch einmal das Wetter auf seinem Tabletcomputer: „Der Wind weht mit acht Knoten von Osten her, daher landen wir auf der Null-Sieben.“

 

Bald darauf kommt die Beleuchtung der Landebahn in Sicht, links daneben flitzen Autos über die A8. Die Landeklappen sind ausgefahren, das Fahrwerk rumpelt nach unten. „Etwas mehr Schub“, korrigiert Hansen. Wir sind ziemlich tief – da werden wohl ein paar Beschwerden über den abendlichen Tiefflug beim Flughafen eingehen. Aber sei’s drum: Relativ sanft berühren unsere Räder die Runway. Allerdings – gefühlt – auch überraschend früh. Kein Wunder: „Im Jumbojet sitzt man ja auch im zweiten Stockwerk“, sagt Hansen und grinst.

Zu Bruch gegangen wäre bei einem Absturz ohnehin nichts – schließlich befinden wir uns in der virtuellen Umgebung von Hansens Simulator, im zweiten Obergeschoss einer gepflegten Gewerbeimmobilie in Backnang. Dort hat der 60-Jährige seit Dezember sein nachgebautes Cockpit stehen. Wer bei ihm einen virtuellen Flug bucht, kann sich für eine Weile fühlen wie der Flugkapitän einer Boeing 747-400. Vorkenntnisse sind dabei egal. Hansen passt sich da ganz seinen Klienten an; je nachdem wie viel Zeit, Wissen und Können sie mitbringen.

Das gebürtige Nordlicht ist seit seiner Kindheit fasziniert von der Fliegerei. „Ich glaube, bei einem Tag der offenen Tür bei Airbus in Finkenwerder hat es mich erwischt“, erzählt er. Doch einer Karriere als Pilot stand etwas entgegen – Hansen zeigt auf seine Augen: Er ist stark kurzsichtig, zumindest damals war das ein Ausschlusskriterium in der Fliegerei. Und so blieb Hansen nichts anderes übrig, als sich auf virtuelle Fliegerei zu beschränken. „Mein erster Simulator war die Software ATP, im Jahr 1988“, erinnert sich Hansen.

Steuerelemente nahe am Original – und Echtzeit-Wetter

Seitdem hat sich viel getan. Sowohl bei den Simulationssoftwares, die immer echter aussehen und das Flugverhalten der Maschinen immer realistischer simulieren. Auch Echtzeit-Wetter ist kein Problem. Mit der Konsequenz, dass man auch Pech haben kann: Auf unserem Flug von Frankfurt nach Stuttgart blicken wir meist auf die weiße Wolkendecke. Wer wissen will, was vor sich geht, muss auf die Instrumente schauen. Eine gewisse Begeisterung für das Thema sollte man also mitbringen. Die Pilotenmütze auf der Garderobe sei Deko, versichert Hansen: „Die ziehe ich zum Fliegen nicht an.“ Von einem Spielzeug sind die Apparate hier weit entfernt. Das fängt an bei den leistungsfähigen Computern, geht weiter über Original-Flugzeugmöbel und schließlich den Cockpit-Umbau. Wer auf dem Pilotensessel Platz nimmt, steuert den Jumbo nicht nur über ein originalgetreues Steuerhorn. Über Bedienelemente wie Pedale, Schub- und Klappenhebel oder über Touchscreens lässt sich jede der mehreren Hundert Funktionen eines echten Jumbo-Cockpits bedienen. „Alles in allem war das eine Investition im fünfstelligen Bereich“, sagt Hansen.

Im Flugsimulator in Backnang steuert man eine Boeing 747

Die Software, über die der Indoorpilot in die virtuelle Welt hinausfliegt, ist X-Plane. Hansen erklärt, die Grafik sei vielleicht nicht ganz so hübsch wie beim weit verbreiteten Simulator von Microsoft. „Aber es kommt mir auf ein möglichst realistisches Flugverhalten an.“ Und das sei bei der Simulation des Jumbos, die wiederum aus einer deutschen Softwareschmiede kommt, der Fall.

Bis vor Kurzem hat Hansen den Simulator in Speyer betrieben, als Nebenjob zur Arbeit bei einem Mineralölmulti. „Es war ein guter Job. Aber ich wollte meinen Traum leben“, sagt Hansen. Deshalb setzt er nun ganz auf die virtuelle Fliegerei. „Jetzt kann ich Menschen glücklich machen, sie den Stress des Alltags vergessen lassen.“ Seine Kundschaft seien Abenteurer, Technik-Freaks, Reiselustige und Wunschpiloten. Bei Hansen können sie überall hin fliegen – „zumindest fast überall, die Landebahn muss lang genug sein“, sagt Hansen. Bei wem die Liebe zur Fliegerei besonders weit geht, der kann bei ihm auch ein ganztägiges Programm buchen, das nicht nur Flüge in seinem Backnanger Simulator, sondern auch in einem absoluten Profigerät in Frankfurt beinhaltet, mit dem Airlines ihre Piloten ausbilden.

In Zukunft kann sich Hansen auch vorstellen, Halbtagesevents anzubieten – zum Beispiel für Firmen. „Es gibt unglaublich viel, was man aus der Luftfahrt für die Persönlichkeitsentwicklung oder für Firmen mitnehmen kann“, ist er überzeugt und nennt als Beispiel die Teamarbeit, die nötig ist, um eine Maschine in die Luft zu bringen.

Mitflug Wer mit dem Simulator in Backnang abheben will, zahlt zwischen 90 Euro für eine Stunde und 169 Euro für zwei Stunden Flug. Hinzu kommt eine kurze Einweisung. Informationen, Tickets und Gutscheine gibt es im Internet unter www.cockpitflug.de.