Vor 27 Jahren wurde der kolumbianische Drogenkönig Pablo Escobar erschossen. Seinen Landsleuten hinterließ er unter anderem vier Flusspferde. Die sind zu einer lästigen Herde von 80 Tieren angewachsen.

Korrespondenten: Klaus Ehringfeld (ehr)

Medellín - Es ist ein dickes Problem, an dem Kolumbiens Umwelt- und Tierschützer bereits seit geraumer Zeit herumdoktern. Es wiegt rund viertausend Kilo, ist äußerst gefräßig, raumverdrängend, zerstörerisch, aber irgendwie auch putzig. Es ist ein Erbe des legendären Drogenkönigs Pablo Escobar, der vor 27 Jahren von einem Spezialkommando erschossen wurde. An den Flusspferden, die Escobar einst auf dem Höhepunkt seiner Macht und seines Reichtums auf seinem Landsitz „Hacienda Nápoles“ nahe Medellín gemeinsam mit Giraffen, Tigern und Elefanten ansiedelte, scheiden sich bei Bevölkerung und Experten in dem südamerikanischen Land die Geister.

 

Die drolligen Dickhäuter, drei Weibchen und ein Männchen, waren übersehen worden, als die Behörden nach Escobars Tod die rund 7000 Fußballfelder große Hacienda räumten. Die Tiere lebten lange Zeit unbehelligt in den Seen und Teichen der Ranch vor sich hin – und sie vermehrten sich fleißig. Experten schätzen, dass mittlerweile rund 80 Hippos die zum Themenpark umgewandelte ehemalige Drogenranch und den nahe gelegenen Magdalena-Fluss bevölkern.

In zehn Jahren könnten es schon doppelt so viele sein und in 30 Jahren sogar bis zu 400, sagt der Biologe und Flusspferd-Experte Germán Jiménez. Denn die ursprünglich in Afrika beheimateten Tiere haben in Kolumbien keine natürlichen Feinde, dafür aber ideale klimatische Bedingungen für ein entspanntes Fortpflanzen. In der Regel gebären Flusspferd-Weibchen ein Junges pro Jahr.

Fischer in ihren schmalen Booten bekommen es mit der Angst zu tun

Doch die Tiere schaden Flora und Fauna am Río Magdalena, der Lebensader der Menschen im Nordwesten Kolumbiens. Oder sie verändern sie zumindest nachhaltig. Denn die Hippos fressen bis zu 80 Kilo Gräser am Tag, scheiden die Reste in den Fluss aus und bringen so das Ökosystem aus dem Gleichgewicht. Außerdem verdrängen sie die heimischen Spezies wie Seekühe, Schildkröten und Otter.

Ganz zu schweigen von den Menschen, die entlang des Magdalena-Flusses leben und es mit der Angst zu tun bekommen, wenn sie mit ihren schmalen Fischerbooten an einer Herde Hippos vorbeimüssen oder die Dickhäuter sich zum Abendspaziergang in die Dörfer aufmachen. Schließlich sind Flusspferde nicht gerade friedliebende Zeitgenossen. Und sie rennen schneller als Menschen.

Ein Töten der Tiere ist seit 2009 ausgeschlossen

Nun ist guter Rat teuer. Was also ist zu tun: Abschießen? Kastrieren? Einzäunen? Auf Zoos verteilen oder nach Afrika zurückbringen? Alles haben die Experten schon in Betracht gezogen. Nichts konnte wirklich überzeugen. Ein Töten der Tiere ist seit 2009 ausgeschlossen. Damals brachten Jäger nach tagelanger Jagd Pepe zur Strecke, das einzige Männchen, das Escobar nach Kolumbien geholt hatte. Pepe war zuvor von der Hacienda ausgebüxt. Um zu vermeiden, dass er in der Umgebung Anpflanzungen platt trampelt und Menschen gefährdet, wurde er zum Abschuss freigegeben.

Es folgte ein öffentlicher Aufschrei, der Rücktritt des Umweltministers wurde gefordert. Weitere Jagdpläne wurden nicht nur umgehend gestoppt, es wurde sogar ein Gesetz durchs Parlament gebracht, das den Abschuss von „Hipopótamos“ in Kolumbien verbietet.

Eine Ökologin in Australien sieht die Sache deutlich positiver

David Echeverri, Biologe bei der staatlichen Umweltorganisation Cornare und so etwas wie der kolumbianische Hippo-Beauftragte, wägt die verschiedenen Alternativen ab und sagt: „Entweder sind sie schwer umsetzbar oder nicht bezahlbar“. Die Kolosse einfangen und in Reservaten wieder auswildern, sei aufwendig und kompliziert, da die Hippos nicht wirklich handzahm sind. Und es löse das Problem der Vermehrung nicht. Eine andere Möglichkeit ist die Unterbringung in Zoos. Aber wer nimmt schon 80 Flusspferde? 2018 brachte man ein junges Flusspferd in einen Tierpark. Die Aktion kostete umgerechnet 4000 Euro.

Das Mittel der Wahl soll also nun die Unfruchtbarmachung der Schwergewichte sein. Aber auch das ist ja nicht gerade einfach. Man muss die Tiere einfangen, narkotisieren und sie dann kastrieren oder die Weibchen sterilisieren. Auch hier gilt: kostspielig und gefährlich. Im fernen Australien hat auch die Ökologin Arian Wallach von der Technischen Universität von Sydney von den Dickhäutern in Kolumbien gehört. Sie findet es einen „Segen“, dass die vom Aussterben bedrohten Flusspferde außerhalb Afrikas einen Zufluchtsort gefunden haben. Die Tatsache, dass es wilde Hippos in Südamerika gebe, sei „eine wunderbare Geschichte von Überlebenswille, Handlungsfähigkeit und Pioniergeist“.