Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff hat die Debatte um die Zusammenlegung von Bundesländern neu entfacht. Kleine, finanzschwache Länder sollen dabei mit großen zusammengelegt werden. Aus 16 Ländern könnten neun werden.

Stuttgart - Die Gründung von Baden-Württemberg 1952 war die einzige Fusion von Bundesländern in der deutschen Nachkriegszeit. Aber in regelmäßigen Abständen flackert die Debatte auf, ob nicht kleine, finanzschwache Länder mit großen zusammengelegt werden sollten. „Wenn Länderfusionen bundespolitisch gewollt sind und die Interessen der schwächeren Länder dabei berücksichtigt werden, werden wir uns in Mitteldeutschland der Fusionsfrage nicht verschließen“, hat nun der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU) der Zeitung „Die Welt“ gesagt. Schon jetzt arbeitet Sachsen-Anhalt eng mit Sachsen und Thüringen zusammen – an diese „großen Brüder“ könnte das 2,2-Millionen-Einwohner- Land andocken. Es ist das erste Mal, dass ein Ministerpräsident sein Land sozusagen als Übernahmekandidat präsentiert.

 

Aber Haseloff holte sich prompt eine Abfuhr: Er sehe keine Notwendigkeit zur Fusion, „zumal dies auf Kosten der Regionalität ginge, die die Sachsen, die Thüringer und die Sachsen-Anhalter seit 1990 wiedergewonnen haben“, sagte Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU). Bemerkenswert ist der Vorstoß aus Magdeburg trotzdem. Denn bisher kamen solche Anstöße meist von außen: So hat der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) mehrfach zur Verärgerung der saarländischen Regierung vorgeschlagen, beide Länder sollten fusionieren und Mainz gemeinsame Hauptstadt werden. Das würde Kosten auch auf der „politischen Führungsebene“ sparen. Im jüngsten Landtagswahlkampf im Saarland war die wegen der Verschuldung bedrohte Autonomie des Saarlands das große Thema. Man fürchtete, die Schuldenbremse nicht einhalten zu können. Jetzt regieren CDU und SPD gemeinsam, beharren auf der Eigenständigkeit und wollen Strukturreformen durchsetzen. Allerdings hat sich im Volk an Mosel und Saar schon 2012 die Stimmung gedreht: Eine Forsa-Umfrage ergab damals, dass sich 47 Prozent der befragten Saarländer – fast jeder zweite also – eine Fusion vorstellen könnten. Erstaunlicherweise gehörten die Befürworter mehrheitlich zur älteren Generation.

Ohne das Volk zu fragen, geht keine Länderfusion

Ohne das Volk zu fragen, geht eine Neugliederung ohnehin nicht: Sie ist möglich laut Artikel 29 des Grundgesetzes, „um zu gewährleisten, dass die Länder nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen“, aber sie geht nicht ohne Bundesgesetz und sie muss durch einen Volksentscheid in allen betreffenden Ländern bestätigt werden. 1996 scheiterte der Versuch, Berlin und Brandenburg zusammenzulegen, weil sich in Berlin bei einem Volksentscheid nur eine schwache Mehrheit für die Fusion fand, in Brandenburg aber nicht einmal das notwendige Quorum erreicht wurde, und die Ablehnungsfront gewaltig war.

Auch die Berlin-Brandenburger Debatte schwelt dennoch weiter. So rechnet der Berliner Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für die SPD im Amt) damit, dass bis 2020 einige Bundesländer von der Landkarte verschwinden werden: „Aus jetziger Sicht wird sich die Fusionsfrage dann vermutlich bei den heute am stärksten verschuldeten Ländern stellen, also bei Berlin, Bremen, dem Saarland und vielleicht auch bei Hamburg.“ 2020 sei das Schicksalsjahr des Föderalismus, sagte Nußbaum der „Berliner Morgenpost“, denn dann greife die Schuldenbremse und „wer bis dahin seinen Haushalt nicht in Ordnung gebracht“ habe, riskiere seine Selbstständigkeit. Manche arme Länder könnten kaum eigene Steuern erheben und hätten auf der Ausgabenseite kaum Spielraum. Nußbaum befürchtet, dass diese Länder selbst Grundaufgaben wie die Schulversorgung nicht mehr ausreichend finanzieren könnten.

Auch für den Norden hatte der mittlerweile verstorbene SPD-Politiker Peter Struck noch 2009 einen Nordstaat vorgeschlagen; beginnend mit Hamburg und Schleswig-Holstein. Heute will der Regierende Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) davon allerdings nichts mehr wissen: „Die Zusammenlegung einzelner Bundesländer macht nichts billiger,“ sagte er. Er sehe vielmehr die Gefahr, dass sich die Verantwortlichen lange darüber streiten, „wo welche Behörde hinkommt“. Die Hamburger setzen mehr auf Kooperation, haben mit Schleswig-Holstein beispielsweise schon das Statistische Amt Nord gegründet. Auch in der Metropolregion Hamburg findet bei Tourismus, Wirtschaft und Infrastruktur eine enge Zusammenarbeit mit Nachbarländern statt – das sei schon „wie ein Nordstaat“, heißt es im Senat.

-Kommentar: Fusionen reichen nicht