Wenn der Bund weniger Einnahmen hat, muss er schauen, woher er das fehlende Geld nimmt, meint die Föderalismus-Expertin Nathalie Behnke.
04.09.2014 - 07:47 Uhr
Stuttgart - Wenn der Bund weniger Einnahmen hat, muss er schauen, woher er das fehlende Geld nimmt, meint die Föderalismus-Expertin Nathalie Behnke. Behnke (41) ist seit 2010 Professorin für Verwaltungswissenschaft an der Universität Konstanz. Aktuell forscht sie über den Finanzföderalismus in Deutschland und hat sich bereits mehrfach mit ihren Debattenbeiträgen in der Politik bemerkbar gemacht.
Frau Professor Behnke, bei den Gesprächen über die Bund-Länder-Finanzbeziehungen will man sich zunächst den Solidaritätszuschlag vornehmen. Geben Sie einer Einigung bei dieser Frage denn eine Chance?
Ich denke schon, dass man sich einigen wird, man wird sich einigen müssen. Es gibt sehr verschiedene Wünsche. Aber die Länder haben hier eine gute Chance sich zu einigen, weil sie gemeinsam etwas vom Bund haben wollen.
Wie könnte so eine Einigung aussehen?
Es sind verschiedene Modelle im Gespräch. Man hat davon gesprochen, die Bundesergänzungszuweisungen, die 2020 auslaufen sollen, durch den Soli weiterzufinanzieren. Den Ländern scheint aber auch gut zu gefallen, dass man den Solidaritätszuschlag nimmt, um in irgendeiner Form gemeinsam die Altschulden der Länder zu tilgen. Diese Idee ist auf Länderseite gerade sehr populär.
Aber nicht in Baden-Württemberg.
Die Länder haben hier unterschiedliche Interessen. Diejenigen, die relativ wenig Schulden haben, könnten sich sinnvollere Verwendungen für das Geld vorstellen als einen Tilgungsfonds. Viele Finanzer sagen aber, man müsse gar nicht über eine Neuordnung des Länderfinanzausgleichs reden, wenn man die Altschulden nicht in den Griff bekommt. Alle wissen, dass mit Inkrafttreten der Schuldenbremse zumindest die hochverschuldeten Länder ein Riesenproblem mit dem Schuldendienst bekommen, wenn er nicht auf mehrere Schultern verteilt wird.
Der baden-württembergische Finanzminister Schmid schlägt vor, den Solidaritätszuschlag in die Einkommensteuer einzubeziehen. Dann würden Länder und Gemeinden verlässlich davon profitieren. Hat er Recht?
Der Vorschlag hat Plausibilität für sich. Für den Steuerzahler ist der Soli bisher schon Teil seiner Steuerschuld, für ihn ändert sich nichts. Kassiert hat ihn bisher aber der Bund alleine. Wenn er Bestandteil der Einkommensteuer wäre, würden die Länder 42,5 Prozent und die Gemeinden 15 Prozent bekommen, hätten also auch etwas davon. Man muss aber das Gesamte sehen. Wenn der Bund weniger Einnahmen hat, dann muss er schauen, wo er das Geld von woanders her bekommt. Ich vermute, dass er dann einen höheren Anteil von der Umsatzsteuer haben will. Dann dreht sich das Karussell im Kreis.
Über den eigentlichen Länderfinanzausgleich soll erst verhandelt werden , wenn man sich beim Soli verständigt hat. Glauben Sie, dass das so kommt?
Ich bin da kein bisschen zuversichtlich. Es ist eine deutsche Tradition, dass man Konflikte ums Geld so klein wie möglich schneidet und sagt, man arbeitet eins nach dem anderen ab, um überhaupt zu Lösungen zu kommen. Wenn man sich die Geschichte der Reformen des Finanzausgleichs anschaut, dann sieht man, dass seit 1967 nicht mehr viel passiert ist. Das Thema ist so konfliktträchtig, dass sich keiner ernsthaft rantraut. Darum versucht man, die Löcher, die dringend gestopft werden müssen, auf andere Weise zu stopfen – meist auf Kosten des Bundes.
Welche Elemente müsste eine Reform haben, um das Solidarsystem gerechter zu machen?
Ein sinnvolles Gesamtpaket zu schnüren ist schwierig. Da spielen die sozialen Sicherungssysteme eine Rolle, Subventionen und Transferleistungen, etwa im Kontext mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Und natürlich die ganze Steuerverteilung. Mein Vorschlag ist, dass man den horizontalen Finanzausgleich abschafft. Er ist kompliziert, bringt relativ wenig, führt aber zu vielen Konflikten. Stattdessen sollte, was an Umverteilung zwischen den Ländern erreicht werden muss, über die Verteilung der Gemeinschaftssteuern, etwa der Umsatzsteuer, organisiert werden. Auf diese Weise würde der Unmut zwischen den Ländern abnehmen, denn man muss nicht etwas hergeben, was man gehabt hat.