Die Stadt Aalen will ihre Bürger animieren, ihre Grundstücke besser zu nutzen. Dafür lockt sie mit Geld – und einem Stadtplaner, der sie als Flächenmanager unterstützen und beraten soll.

Aalen - Die Kollegen müssen Nicolai Baumann beneiden. In den Rathäusern wird schließlich häufig gespart, das ist in Aalen nicht anders. Der 29-Jährige aber zieht mit einem stattlich gefüllten Portemonnaie durch die Stadt. Sein Job ist es, dieses Geld – immerhin mehr als 300 000 Euro – unter die Leute zu bringen. Der Stadtplaner ist seit Dezember Aalens sogenannter Innenentwicklungsmanager. Baumann soll dazu beitragen, dass bisher nicht oder nicht ideal genutzte innerörtliche Flächen aktiviert werden für das, was die wachsende Stadt im Ostalbkreis dringend braucht: Wohnraum.

 

Baumanns Stelle wird in den nächsten zwei Jahren zur Hälfte vom Land finanziert. Das Wirtschaftsministerium hat im vorigen Frühjahr das 2010 aufgelegte Förderprogramm „Flächen gewinnen durch Innenentwicklung“ erweitert und unterstützt seitdem auch die Beschäftigung von Flächen- oder Innenentwicklungsmanager in den Rathäusern.

Sechs Kommunen im Land haben den Zuschuss bekommen, sie nutzen das Geld unterschiedlich. Ulm hat schon seit Juni einen Flächenmanager im Haus. Die Stadt verliert jährlich 750 Einwohner an den bayrischen Nachbarn Neu-Ulm, weil dort deutlich mehr gebaut wird. In Ravensburg wird die Stelle zum 1. April besetzt. Die Gemeinde Ammerbuch (Kreis Tübingen) hat einen 50-Prozent-Posten ausgeschrieben und hofft, bis zum Frühjahr jemanden zu finden. Der Kreis Böblingen möchte sich mit Renningen zusammentun und ein externes Büro mit der Innenentwicklung beauftragen. Für dieses Modell hat sich auch Donaueschingen entschieden.

Aalen will bald die 70 000-Einwohner-Marke knacken

Baumanns Vertrag ist nicht an die Laufzeit der Förderung gekoppelt, sondern unbefristet. „Das ist eine dauerhafte Aufgabe“, sagt Aalens Erster Bürgermeister Wolfgang Steidle. Allein in den nächsten drei Jahren werde die Stadt um bis zu 4000 Einwohner wachsen – und damit die 70 000er-Marke knacken. Dieses Wachstum wolle man bewältigen, zugleich aber die Landschaft schonen, das Stadtbild qualitativ weiterentwickeln und die Nachbarschaft stärken. „Der Bestand leidet, wenn Leerstände entstehen“, sagt Steidle. „Wir wollen vermeiden, dass in bestimmten Quartieren nur noch Senioren wohnen und die jungen, gut verdienenden Familien auf der grünen Wiese.“ In einigen Stadtteilen seien die Bewohner im Schnitt über 60 Jahre alt, in Unterkochen zum Beispiel.

Baumanns Schatulle soll zur Verjüngung beitragen. Die 300 000 Euro sind als Anschubfinanzierung gedacht. Gefüllt wird die Kasse seit vorigen Sommer stetig. Denn seitdem gilt in Aalen eine Innenentwicklungsabgabe. Wer in einem Neubaugebiet einen Bauplatz kauft, zahlt einen Aufpreis von 7,5 Prozent – mindestens 10 Euro, höchstens 15 Euro je Quadratmeter. Dieses Geld fließt in den Innenentwicklungsfonds. Damit will die Stadt Privatleute mit jeweils bis zu 10 000 Euro vor allem in zwei Bereichen finanziell unterstützen: Beim Abriss ehemaliger landwirtschaftlicher Gebäude, die zwischen 1960 und 1975 entstanden sind, zu Gunsten neuer Wohnhäuser. Diese Scheuern sind in der Regel relativ großvolumig und deshalb nur schwer zu Wohnraum umzubauen. Zum zweiten nimmt die Stadt Gebäude der Baujahre 1945 bis 1965 ins Visier: Damals wurden auf relativ großen Flächen relativ kleine Häuschen gebaut. Wer so ein Haus modernisiert oder gar zusätzlichen Wohnraum schafft, kann städtische Hilfen beantragen. Nicolai Baumann soll dafür raus aus dem Rathaus und ran an die Menschen.

Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet

Bis Ende 2019 wird er dabei genau beobachtet, denn Aalen ist eine von bundesweit acht Städten, die für das Forschungsprojekt „Aktivierung von Innenentwicklungspotenzialen“ des Bundesbauministeriums ausgewählt wurden. Im Fokus steht die Frage, ob ein Flächenmanager wie erhofft Bauherren im Sinne der Stadt beeinflussen kann. Dieses Projekt gehört zum Forschungsprogramm „Experimenteller Wohnungs- und Städtebau“ (ExWoSt) des Bundes. Außer Aalen nehmen Berlin, Hamburg, Ludwigsfelde, Regensburg, Solingen, Trier sowie – als zweite Kommune im Südwesten – Offenburg an dem Projekt teil.

Offenburg soll den anderen Teilnehmern Impulse liefern. Die Stadt hat vor vier Jahren begonnen, ihr Baulückenkataster unter die Lupe zu nehmen. „Wir haben festgestellt, dass da große Potenziale schlummern“, sagt Oliver Martini, der Erste Beigeordnete. Denn Offenburg mit seinen 60 000 Einwohnern hat viel vor. Bis 2021 sollen 2000 zusätzliche Wohnungen entstehen. Das gleiche hat sich das immerhin doppelt so große Heilbronn für die Zeit bis 2020 vorgenommen.

Die Offenburger analysierten ihr Baulückenkataster: Welche Grundstücke sind verfügbar, und welche Bebauung ist an dieser Stelle aus städtischer Sicht erwünscht? 40 Flächen hat die Stadt identifiziert, auf denen sie in den nächsten zehn Jahren eine Bebauung für sinnvoll und realistisch hält. Die meisten davon gehören Privatleuten – noch. Im März entscheidet der Gemeinderat, ob die Stadt aktiver in das Grundstücksgeschäft einsteigt und versucht, die Flächen sukzessive aufzukaufen. Wichtig sei dabei vor allem eines: „Innenentwicklung braucht Akzeptanz“, sagt Martini. Wenn sich ein Eigentümer quer stellt, geht nichts.

„Ich muss die Balance finden zwischen aktiv beraten und nerven“, sagt deshalb auch Nicolai Baumann, der Aalener Innenentwicklungsmanager. In den kommenden Wochen will er die Ortsvorsteher in den Stadtteilen besuchen, um sich bekannt zu machen. Und um zu bekommen, was er für seinen Job auch gut brauchen kann, mit Geld aber nicht zu bezahlen ist: Informationen darüber, wer mit wem kann.