Mit einem speziellen Programm sollen Sechst- und Siebtklässler für Naturwissenschaften und Mathematik begeistert werden. Das Interesse der Schulen im Kreis Ludwigsburg nimmt zu, auch am Ernst-Sigle-Gymnasium in Kornwestheim.

Ludwigsburg: Anne Rheingans (afu)

Welche geometrischen 3-D-Modelle lassen sich mit den bunten Drei- ,Vier- und Fünfecken bauen? Und wie heißen die Körper, die dabei entstehen? Vor diesen Aufgaben stehen die Sechstklässler heute. Selbst ausprobieren, mathematische Probleme lösen und das räumliche Vorstellungsvermögen trainieren: Darum geht es bei zwei neuen Arbeitsgruppen am Ernst-Sigle-Gymnasium in Kornwestheim. Das ESG ist eine von insgesamt zwölf Schulen im Landkreis Ludwigsburg, die bei einem zweijährigen Programm der Stuttgarter Vector-Stiftung mitmachen.

 

„Mkid – Mathe kann ich doch“ heißt das Projekt, das dafür sorgen soll, dass Schülerinnen und Schüler der sechsten und siebten Klassen ihr Können in Mathematik und Naturwissenschaften, in den sogenannten MINT-Fächern, erweitern. Der Hintergrund des Programms: Mädchen und Jungen sollen erfahren, dass diese Fächer Spaß machen können. Dann, so die Hoffnung der Stiftung, entscheiden sie sich später eher dafür, einen Beruf auf diesem Gebiet zu ergreifen.

Julian Maisch, der wegen des großen Interesses gleich zwei Kurse mit insgesamt 42 Sechstklässler am ESG leitet, verteilt zu Beginn der Stunde die farbenfrohen Plastikelemente auf den Tischen. Dann lässt er die Kinder in kleinen Teams mit zwei bis drei Personen herumexperimentieren. Lehrerin Stefanie Bertsch hat ihren ehemaligen Schüler für das Programm gewinnen können. Julian Maisch promoviert im Studienfach Physik. Die Inhalte sind ihm daher vertraut. Damit er auch pädagogisch für die Arbeit mit den Mädchen und Jungen gerüstet ist, hat er sich von der Stiftung fortbilden lassen.

Mit dem Beginn der Pubertät fangen viele junge Menschen an, ihre Fähigkeiten zu hinterfragen. Das ist besonders oft in der sechsten und siebten Klasse und in den Fächern Mathematik und Naturwissenschaften der Fall. „Das Abstraktionsvermögen vieler Kinder ist in diesem Alter noch nicht so ausgeprägt“, weiß Bertsch aus eigener Erfahrung. Dann sei die Gefahr groß, dass die Schülerinnen und Schüler erst den Anschluss und dann das Interesse verlieren.

Schüler im Mittelfeld sind die Zielgruppe

Die Vector-Stiftung, die mit dem Unternehmen Vector Informatik verbunden ist, möchte vermeiden, dass es zu diesem Knick kommt. Sie hat daher das Mkid-Programm mit dem Seminar für Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte in Stuttgart konzipiert. Im ersten Jahr, also in Klasse 6, geht es vor allem um die Mathematik. Im zweiten Jahr, in der siebten Klasse, beschäftigen sich die Gruppen mit naturwissenschaftlichen Themen. Das Programm wurde 2017 erstmals an elf Schulen getestet und im Anschluss verbessert. Im aktuellen Schuljahr sind landesweit bereits 105 Schulen dabei.

Das Programm richtet sich nicht an leistungsstarke Kinder. Für sie gibt es bereits genügend Förderprojekte, sagt Christina Luger von der Vector-Stiftung. „Unsere Zielgruppe sind die Schüler im Mittelfeld“, betont die Projektmanagerin. Für die Schulen und die Kinder ist die Teilnahme komplett kostenlos. Die gemeinnützige Stiftung stellt ein Gesamtbudget von jeweils 5000 Euro und die Unterrichtsmaterialien zur Verfügung, bildet die Kursleiter aus und organisiert pro Schuljahr einen Ausflug.

Für Klimawende und Digitalisierung fit machen

Ohne Hintergedanken sind diese Investitionen allerdings nicht, denn das Ziel ist es, dass sich die Jungen und Mädchen aufgrund des Programms anhaltend für die MINT-Fächer begeistern und zu den begehrten Fachkräften werden. „Wir wissen nicht genau, welche Berufe in zehn Jahren genau gefragt sind“, sagt Luger. Für die Klimawende und die Digitalisierung würden aber eben diese Kompetenzen gebraucht, die über das Programm vermittelt werden.

Industrie- und Handelskammer steht hinter der Initiative

Die Industrie- und Handelskammer begrüßt die Initiative. „ Der Fachkräftemangel gehört in unseren Unternehmensbefragungen seit Jahren zu den größten Geschäftsrisiken“, sagt Julian Pflugfelder, der Präsident der IHK-Bezirkskammer Ludwigsburg. Besonders ausgeprägt sei die Lücke in Berufen, in denen spezielles Wissen aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik gefragt ist. Nach Ansicht der Kammer fehlt es an allgemeinbildenden Schulen in der Regel an Experimentier- und Erfahrungsräumen, die das Interesse der Schüler initiieren und weiterführen können.

Ob die Schüler am ESG später tatsächlich in einem MINT-Beruf arbeiten werden, bleibt abzuwarten. „Ich habe noch keinen konkreten Berufswunsch“, sagt Stella Wiemann. Wie die meisten Mitschüler besucht die Zwölfjährige die wöchentliche Arbeitsgruppe gerne. „Es macht Spaß“, betont sie.

Zwölf Schulen im Landkreis sind dabei

Teilnehmer
 Zwölf Schulen nehmen im Kreis Ludwigsburg am Programm der Vector-Stiftung teil: Ernst-Sigle-Gymnasium (Kornwestheim), Theodor-Heuss-Realschule (Kornwestheim), Robert-Bosch-Gymnasium (Gerlingen), Gymnasium in der Glemsaue (Ditzingen), Otto-Hahn-Gymnasium (Ludwigsburg), Friedrich-Schiller-Gymnasium (Ludwigsburg), Gemeinschaftsschule Innenstadt (Ludwigsburg), Justinus-Kerner-Schule (Ludwigsburg), Mörike-Gymnasium (Ludwigsburg), Ferdinand-Steinbeis-Realschule (Vaihingen/Enz), Friedrich-Abel-Gymnasium (Vaihingen/Enz), Lise-Meitner-Gymnasium (Remseck). Erstmals macht das Goethe-Gymnasium Ludwigsburg im kommenden Schuljahr mit.

Anmeldung
 Bis zum 5. Mai können sich Gemeinschaftsund Realschulen sowie Gymnasien aus Baden-Württemberg für einen Start im Schuljahr 2023/24 melden. Eine Registrierung für die Fortbildungen ist ab Mitte Mai möglich.

Weitere Infos dazu gibt es unter: https://vector-stiftung.de/mkid