Die Stadt Stuttgart hilft auf freiwilliger Basis freien Trägern und gleicht fehlende Einnahmen aus. Doch manche fallen durchs Raster. Ein Beispiel.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Möhringen - Die Türen sind weit geöffnet, doch nur wenige Schüler dürfen an diesem Montag wieder in die Schule kommen. Nämlich die, die in diesem oder im kommenden Jahr ihren Abschluss machen. An der Freien Evangelischen Schule (FES) in Möhringen mit Werkrealschule, Realschule und Beruflichem Gymnasium sind das insgesamt zwölf Klassen. Damit es in der Schule nicht zu eng wird und der vorgegebene Mindestabstand eingehalten werden kann, kommen aber auch diese nicht alle gleichzeitig. „Wir haben versucht, alles so gut wie möglich zu entzerren“, sagt der Geschäftsführer Jens Geiger. Die Schule nutzt ihre großen Räume, damit Klassen nicht geteilt werden müssen. Jedem Raum ist eine Toilette zugewiesen, damit es auch dort nicht zu eng wird. Das Tragen einer Gesichtsmaske ist freiwillig. Die Lehrer jedoch sind Vorbilder und bedecken alle Mund und Nase mit einem entsprechenden Schutz.

 

Wann die etwa 300 Grundschüler wieder in die FES dürfen, ist noch völlig offen. Das Gleiche gilt für die Nachmittagsbetreuung. Ebenso wie in den Kindergärten, Horten und Schülerhäusern darf die FES aktuell nur eine Notbetreuung anbieten. „Folglich haben wir uns dazu entschieden, die Elternbeiträge für die Nachmittagsbetreuung für die Monate April und Mai zurückzuzahlen“, sagt Martina Peter. Die kaufmännische Leiterin der FES ergänzt: „Wir sind keine elitäre Schule. Etwa zehn Prozent unserer Eltern können das preiswerte Schulgeld von durchschnittlich 100 Euro im Monat nur eingeschränkt bezahlen, und wir finden dann individuelle Lösungen.“ Wegen der Corona-Krise hätten manche Familien derzeit Existenzängste. In einer solchen Situation sei es unmöglich, Geld für eine Leistung einzubehalten, die nicht habe erbracht werden können.

Flexibilität wird zum Nachteil

Doch damit hat nun die Schule ein finanzielles Loch von insgesamt etwa 26 000 Euro. Denn die Kosten für die Schulkindbetreuung, die an der FES normalerweise von etwa 200 Mädchen und Jungen in Anspruch genommen wird, laufen weiter. Die Ankündigung der Stadt, die freien Träger in diesem Bereich auf freiwilliger Basis zu unterstützen und die entfallenen Einnahmen auszugleichen, ließ die Schule aufatmen. Davon ermutigt, wendete sich Peter an die zuständige Stelle – und bekam eine Absage. „Offenbar gibt es ein Problem damit, dass wir seither keine direkte Förderung der Stadt für die Nachmittagsbetreuung in Anspruch genommen haben und somit in der kommunalen Gesamtplanung nicht enthalten sind“, erklärt die kaufmännische Leiterin.

Die Argumentation leuchtet Peter nicht ein. Der Grund dafür, dass die Nachmittagsbetreuung an der FES, derzeit nicht von der Stadt bezuschusst wird, ist, dass diese weder in die Kategorie Hort, noch in die Kategorie Schülerhaus fällt. Denn die Eltern können sie ganz individuell in Anspruch nehmen und nur einen, aber auch fünf Tage die Woche buchen. Eine Ferienbetreuung gibt es nicht, weil sie zu wenig nachgefragt wurde. Doch warum soll diese von der Schule ermöglichte Flexibilität und der damit verbundene Wegfall der Regelförderung in der Corona-Krise nun zu einem Nachteil für die FES werden?

Online-Unterricht seit dem ersten Tag des Shutdowns

Martina Peter hat sich nun schriftlich an die Stuttgarter Schulbürgermeisterin Isabel Fezer gewandt. Peter schreibt: „Ich habe begründete Zweifel, dass eine derartige Ausgrenzung allen Entscheidungsträgern präsent war.“ Im Hinblick darauf, dass die FES die Stadt bei der Schulkindbetreuung grundsätzlich entlaste und auf die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit der vergangenen 25 Jahre bittet die kaufmännische Leiterin die Schulbürgermeisterin darum, „unsere Fallkonstruktion bei Ihrer Entscheidung positiv zu berücksichtigen“. Eine Antwort auf das am 23. April verschickte Schreiben hat sie noch nicht.

Viele positive Rückmeldungen bekam die FES hingegen von den Eltern, und zwar auf ihr Unterrichtsangebot in Zeiten des Shutdowns. Vom ersten Tag an habe es an den weiterführenden Schulen Online-Angebote gegeben, sagt Carmen Behling, die Leiterin des Schulverbundes. Alle Mädchen und Jungen hätten einen eigenen Zugangscode und jede Klasse einen Online-Stundenplan bekommen. So wusste jeder, wann er vorm Computer oder am Handy zu sein hatten. „Die Lehrer starteten dann gemeinsam mit den Schülern mit einer Morgenandacht in den Tag, so wie es auch hier gewesen wäre“, sagt Behling. Die technischen Voraussetzungen seien in den meisten Familien gegeben gewesen. Und auch die Lehrer an der Grundschule haben kleine Videos für ihre Schüler gedreht, um sie zum Homeschooling zu motivieren und den Kontakt zu halten.