Die Nato plant, ihre Truppen im Osten Europas aufzustocken. Unter anderem soll das Hauptquartier Stettin ausgebaut werden. Auch sonst sendet das Bündnis Signale an Wladimir Putin.

Brüssel - Wochenlang haben die Militärstäbe unter Hochdruck gearbeitet, am Ende stand ein Bericht des Nato-Oberbefehlshabers Philip Breedlove, den er den 28 Mitgliedstaaten des Verteidigungsbündnisses jüngst präsentiert hat. Das Papier unterliegt der höchsten Geheimhaltung, beschreibt es doch mögliche Konsequenzen, die das Bündnis aus dem außenpolitischen Kurswechsel in Moskau ziehen will. „Wir blicken wegen Russlands illegaler Aggression gegenüber der Ukraine auf eine neue Sicherheitslandschaft“, so Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Dienstag zu Beginn eines Ministertreffens in Brüssel.

 

Erste Konsequenzen hat das Bündnis bereits gezogen: Es wurden vorübergehend einige Soldaten entsandt. Die in Geilenkirchen bei Aachen stationierten Awacs-Aufklärungsflieger kreisen ständig über Osteuropa, auch zusätzliche Kampfjets wurden in jene Mitgliedstaaten verlegt, die sich durch Russland bedroht fühlen. Die Bundeswehr etwa wird von September an vier Monate lang an der Luftraumüberwachung beteiligt. Dafür werden sechs Eurofighter auf einen Stützpunkt in Estland verlegt. Deutschland hat auch die Führung eines Marineverbands in der Ostsee übernommen und zu sieben internen Manövern nun auch die Nato-Partner eingeladen, um Stärke zu demonstrieren. Das Zauberwort heißt im Militärjargon „reassurance“. Den Osteuropäern soll klargemacht werden, wie Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen in Brüssel formulierte, „dass sie sich unserer ungebrochenen Solidarität sicher sein können“.

Die Nato soll fitter und flexibler werden

Auf Basis des Papiers von US-General Breedlove werden weitere Schritte diskutiert. „Wir müssen die Nato fitter, schneller und flexibler machen“, sagt Nato-Chef Rasmussen, denn die militärische Analyse hat Diplomaten zufolge ergeben, dass Russlands Militär viel moderner und flexibler agieren könne als noch vor wenigen Jahren und wie auf der Krim oder in der Ostukraine auch mit „subversiven Kräften“ operiere. Die zuletzt stark auf Auslandseinsätze wie in Afghanistan ausgerichtete Allianz sei zu schwerfällig. Dazu passt, dass Ministerin von der Leyen nach einem Gespräch mit ihren Kollegen aus Polen und Dänemark am Dienstag den Ausbau des multinationalen Hauptquartiers Nordost in Stettin ankündigte. Der militärische Status soll dabei von niedriger auf hohe Einsatzbereitschaft verändert werden – dafür wird die Mannschaft auf 400 Soldaten verdoppelt.

Mehr Übungen, aktualisierte Einsatzpläne, aber auch eine „angemessene Truppenstärke“, so Rasmussen, würden Teil eines „Bereitschaftsplanes“ sein, der Anfang September beim Nato-Gipfel verabschiedet werden solle und den US-Präsident Barack Obama mit seiner Ankündigung einer verstärkten Militärpräsenz quasi schon vorweggenommen hat. Über die mittel- und langfristigen Maßnahmen haben die Verteidigungsminister am Dienstag gleichwohl noch kontrovers diskutiert.

Polen verlangt deutlich mehr Truppen

Polen etwa hält aufgrund der jüngsten Entwicklungen die Gründungsakte des Nato-Russland-Rates von 1997, die ein Verbot von Atomwaffen in den neuen Mitgliedstaaten und der Stationierung „dauerhafter und substanzieller“ Truppen enthält, nicht mehr für bindend. Eine Mehrheit der Verbündeten dagegen schon: Von der Leyen sagte, die Nato dürfe Verträge „nicht in Frage stellen“. Die Minister diskutierten unter dem Eindruck, dass der russische Nato-Botschafter Alexander Gruschko jedwede Truppenaufstockung als Provokation verurteilt hatte, welche Truppenstärke noch als „nicht substanziell“ gelten könnte. Es heißt, dass es um weniger als eine Division mit 20 000 Mann, aber sicher um mehr als eine Brigade mit 5000 Soldaten gehe. Diese Truppen sollen laut von der Leyen zudem in einer Art „Rotationsprinzip“ in Osteuropa eingesetzt werden – also ohne den Bau zusätzlicher Kasernen, sondern eher im Rahmen ausgedehnter Übungen.