Ein deutscher Investmentbanker verlässt London und kehrt nach Frankfurt zurück. Er ist keine Ausnahme – die großen Banken ziehen die Konsequenzen aus dem Brexit. Das hat gravierende Folgen.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

London/Frankfurt - Es hat einem schon so ein bisschen den Boden unter den Füßen weggezogen“, sagt Jens Hofmann. Für ihn war die Entscheidung für den Brexit, den Austritt Großbritanniens aus der EU, mehr als ein politisches Ereignis. Der Banker erlebte die Abstimmung 2016 in London, seinem damaligen Lebensmittelpunkt. Für die US-Investmentbank Goldman Sachs betreute er von dort aus vor allem deutsche Kunden – eine Konstellation, die durch den Brexit zumindest infrage gestellt wurde.

 

Im Frühjahr ist der 49-Jährige mit seinem Team nach Frankfurt umgezogen, nach 13 Jahren auf der Insel. Der Brexit sei nicht der Hauptgrund dafür, sondern eine von der Bank eingeleitete Regionalisierungsstrategie, sagt er: „Wir wollen in neue Kundenzweige, die wir bisher nicht so erschlossen haben, vordringen, und haben gemerkt: Aus London können wir das nur schwer betreuen.“ Auch auf dem amerikanischen Heimatmarkt habe Goldman Sachs Standorte abseits der Wall Street gestärkt. Klar ist aber auch: Vom EU-Hauptquartier in London aus werden Geschäfte auf dem Kontinent nach dem Brexit wohl nur noch eingeschränkt möglich sein.

Die Unsicherheit wächst

Hofmann leitet die Financing Group für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Sie verkauft Finanzierungs- und Absicherungsstrategien für Unternehmen. Privat zog es den gebürtigen Frankfurter nicht zurück in seine Heimatstadt, seine Familie lebt noch in London, wo die drei Kinder zur Schule gehen. Beruflich betrachtet der Banker den Wechsel als Chance: „Gerade für die Zusammenarbeit mit mittelständischen Unternehmen ist es viel einfacher, wenn man auf Zuruf vorbeischauen kann oder ein Treffen mit anderen Terminen in der Region verbindet.“

Natürlich wird Hofmann bei diesen Treffen auch nach möglichen Folgen des Brexits gefragt. Doch noch sind verschiedenste Szenarien denkbar, nach der verschobenen Abstimmung über den mit der EU ausgehandelten Fahrplan ist die Unsicherheit aber noch größer geworden. Stimmt das Parlament am Ende doch noch zu, wäre Großbritannien bis Ende 2020 Teil des europäischen Binnenmarktes. Lehnt das Parlament die Übergangslösung ab, droht Ende März ein ungeordneter Ausstieg aus der EU EU – ein harter Brexit.

„Wir haben natürlich auch keine Kristallkugel, wie das politisch weitergeht“, sagt Hofmann. Er spiele mit den Kunden aber die möglichen Auswirkungen der verschiedenen Szenarien an den Kapitalmärkten durch. „Was passiert beispielsweise mit dem Euro-Pfund-Wechselkurs, und mit welchen Finanzinstrumenten kann man sich absichern?“, berichtet Hofmann.

Die Banken kaufen riesige Büroflächen

Hofmanns Arbeitgeber Goldman Sachs sorgt ebenfalls vor. Rund drei Dutzend Banken planen laut der Standortinitiative Frankfurt Main Finance, ihre Präsenz in Hessen wegen des Brexits kräftig auszubauen. Doch die wenigsten haben ihre Pläne so deutlich kundgetan wie Goldman Sachs: Die Bank hat achteinhalb Etagen in einem neuen Frankfurter Büroturm reserviert, der gerade gebaut wird. Für bis zu 700 Angestellte wäre dort Platz, den das Geldhaus aber nicht ausschöpfen will: „Aktuell gehen wir davon aus, dass sich die Zahl der Mitarbeiter in Frankfurt auf 400 bis 500 in etwa verdoppeln wird. Allerdings ist noch unklar, wann das passieren wird“, sagt eine Sprecherin.

London, wo Goldman rund 6000 Menschen beschäftigt, soll trotz Brexits der wichtigste Standort in Europa bleiben. Auch dort wird für Goldman ein neues Hochhaus errichtet. Doch schon vor einem Jahr twitterte Bankchef Lloyd Blankfein unter einem Foto des halb fertigen Gebäudes: „Wir erwarten/hoffen, es füllen zu können, aber vieles liegt außerhalb unserer Kontrolle.“ Bei so viel Unsicherheit ist ein früher Umzug von Vorteil: Für Jens Hofmann ist klar, wo sein Schreibtisch steht.