In der Hotellerie und Gastronomie spitzt sich die Lage zu. Kritik gibt es am Vorgehen beim neuen Kurzarbeitergeld. Das gehe zu langsam, sagen Hoteliers.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Die Corona-Pandemie bringt die Hotellerie und die Gastronomie in der Region Stuttgart immer mehr in Bedrängnis. „Es ist eine Katastrophe“, auf diesen kurzen Nenner bringt Markus Hofherr die Lage. Er ist nicht nur Vorsitzender der Kreisstelle Stuttgart des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga). Hofherr betreibt auch ein Hotel mit 187 Zimmern in Böblingen. Eigentlich müsste er derzeit für März deutlich mehr als 2000 Reservierung vorliegen haben. „Es sind aber nur etwa 1000“, sagt er. Und womöglich wird sich diese Entwicklung noch verschärfen. Statt wie sonst 80 oder 90 Reservierungen pro Tag gehen bei dem Hotelier nur noch etwa 20 ein, gleichzeitig werden jeden Tag gebuchte Zimmer in größerer Zahl storniert. „Es ist dramatisch“, betont Hofherr. Und nicht nur bei ihm. „Das ist bei meinen Kollegen fast überall so.“

 

In den Landkreisen der Region rund um Stuttgart zählt der Dehoga rund 5150 gewerbliche Betriebe. In Stuttgart alleine seien es rund 1750, darunter 260 Beherbergungsbetriebe, sagt Daniel Ohl, der Pressesprecher des Dehoga-Landesverbands. Mehr als 32 000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte habe die Branche in der Region, geringfügig Beschäftigte nicht mitgerechnet. Alleine in Stuttgart seien es mehr als 12 000 Mitarbeiter in der Branche, weiß Markus Hofherr, der Umsatz liege hier bei über einer Milliarde Euro im Jahr.

Zuerst trifft es Mitarbeiter in der Probezeit

„Es gibt bereits Entlassungen“, sagt Daniel Ohl, der Pressesprecher des Dehoga-Landesverbands. „Das halten die Betrieb nicht aus“, sagt er über die angespannte Lage. Das gilt auch für den Vorsitzenden des Kreisverbandes selbst. Sechs seiner 70 Mitarbeiter habe er bereits entlassen müssen, erklärt Markus Hofherr. Und dabei wird es womöglich nicht bleiben. Betroffen seien bis jetzt Beschäftigte, die in der Probezeit waren. „Wir schauen, dass wir die Stammbelegschaft halten können“, sagt der Hotelier. „Mit denen versuchen wir, in Kurzarbeit zu gehen.“

Die Unsicherheit, wie es in den kommenden Wochen und Monaten wegen des Coronavirus weitergeht, ist auch in der Hotellerie groß. „Ich rechne nicht damit, dass es eine schnelle Besserung gibt“, schätzt Markus Hofherr, wenn er sich die Entwicklung in anderen Ländern betrachtet. Ein Fragezeichen sieht er auch über dem US-Markt, der für die hiesigen Betriebe wegen der vielfältigen Beziehungen der Industrie dorthin sehr wichtig ist. Schließlich machen die Hotels in der Region im Schnitt rund 70 Prozent ihres Umsatzes mit Geschäftsreisenden, nur 30 Prozent mit Privatbuchungen.

Auch kleine Veranstaltungen werden abgesagt

Dabei hatten die Beherbergungsbetriebe und die Gastronomen schon unter den Sparmaßnahmen von Großunternehmen wie Daimler und Bosch gelitten, die zuvor schon etwa Tagungen und Veranstaltungen außer Haus eingeschränkten. „Uns war klar, dass wir dieses Jahr Abstriche machen müssen“, erzählt Markus Hofherr. „Aber wir sind davon ausgegangen, dass dieses starke Messejahr einen Ausgleich schafft.“ Bis Ende Februar liefen die Geschäfte auch gut – bis das Coronavirus kam und mit ihm die Absagen der Messen Logimat und Didacta. Plötzlich fehlten Hunderte von Reservierungen in den Büchern. Nicht nur für den März.

Derzeit, so scheint es, gibt es bei der Absage von Veranstaltungen kein Halten mehr. Die Industrie storniere schon für April und Mai, sagt der Hotelier. Immerhin einige Veranstaltungen habe man auf einen späteren Zeitpunkt verschieben können, teils in den kommenden Herbst, sagt Hofherr. Erst waren die großen, internationalen Veranstaltungen dran, inzwischen würden aber auch Tagungen mit nur 15 oder 20 Teilnehmern abgesagt.

Beratungsbedarf beim Thema Kurzarbeitergeld

Beispiel Bosch: Man verzichte derzeit auf die Teilnahme an größeren Events sowie auf das Ausrichten größerer Veranstaltungen mit externen Gästen und internationalen Teilnehmern, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage. Dies gelte bis Mitte April. „Wo möglich, greifen wir auf virtuelle Methoden zurück oder verschieben Events auf einen späteren Zeitpunkt.“

Und damit nicht genug. „Jetzt kommen auch noch die Einzelkunden“, sagt Markus Hofherr, die ihre Buchungen sehr viel kurzfristiger stornieren könnten als die großen Geschäftskunden.

In der Statistik der Arbeitsagentur lassen sich diese Entwicklungen erst Ende des Monats ablesen. Zumal dort Entlassungen erst in größerem Umfang gemeldet werden müssen. Wie prekär die Situation einiger Branchen in der Region aber ist, lässt sich an der großen Zahl von Anfragen zum Kurzarbeitergeld bei der Agentur für Arbeit in Stuttgart ablesen. „In nur neun Tagen sind 80 Anfragen eingegangen, 30 davon aus Stuttgart“, sagt Pressesprecherin Carmen Gutierrez Gnam. Vor allem seien dies Betriebe aus dem Messebereich, also Messebauer, Spediteure, Firmen der Eventbranche, aber auch Hotels und Gaststätten.

Betriebe brauchen schnell Liquidität

Auch Birgit und Friedrich Wegener, die das Akzent-Hotel Möhringer Hof betreiben, hoffen auf das neue Kurzarbeitergeld. Dieses soll auch für Kleinbetriebe wie das 35-Zimmer-Hotel in Möhringen mit seinen neun Beschäftigten attraktiv sein, weil die Firmen damit von den nicht unerheblichen Sozialabgaben für die Mitarbeiter entlastet werden sollen. „Wir wollen niemanden entlassen“, sagt Birgit Wegener. Sehr zuversichtlich, dass die neue Kurzarbeiterregelung rechtzeitig kommt, sind sie und ihr Mann aber nicht. Friedrich Wegener fürchtet, dass die Auszahlung auch wegen der großen Nachfrage nach der noch nicht beschlossenen Unterstützung erst im Mai oder Juni kommen wird. „Das muss schneller gehen“, sagt er. Ein Kleinbetrieb, der plötzlich „null Umsatz hat“, könne diese Zeit nicht überbrücken, dazu reichten die Rücklagen nicht. Wegener: „Das sind die liquiden Mittel schnell weg.“ Eigentlich war das Hotel in Möhringen ausgebucht – bis zur Absage der Logimat und der Didacta. Seither hagelt es Stornierungen. „Auch einige Italiener, die zum Frühlingsfest kommen wollten, haben abgesagt“, erzählt Birgit Wegener.