Die letzte Chance des Deutsch-Libanesen Khaled el Masri auf Entschädigung brachte den Erfolg: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat seine Folterbeschwerde anerkannt.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Stuttgart - Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat den Staat Mazedonien dazu verurteilt, dem Folteropfer Khaled el-Masri eine Entschädigung in Höhe von 60 000 Euro zu zahlen. Die Straßburger Richter sahen es als erwiesen an, dass die „Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien“ sich der Folter und unmenschlichen Behandlung an dem Neu-Ulmer schuldig gemacht hat.

 

Erstmals hat ein Gericht damit die Vergehen an Khaled el-Masri geahndet. An dessen Geschichte von Entführung und Misshandlung hatte der Gerichtshof keinerlei „vernünftige Zweifel“, wie in der Urteilsbegründung vom Donnerstag steht.

Nach Überzeugung der Großen Kammer ist el-Masri am 31. Dezember 2003 am Grenzübergang nach Mazedonien von Polizeikräften festgenommen und in ein Hotel gebracht worden. Dort wurde er 23 Tage lang in einem abgeschlossenen Raum festgehalten und zu seinen angeblichen Verbindungen zu Terrororganisationen verhört. Zugleich wurde ihm mit Erschießung gedroht, sollte er einen Fluchtversuch unternehmen.

Vier Monate in einer dunklen Betonzelle

Am 23. Januar 2004 ist der Gefangene, in Handschellen und mit verbundenen Augen, zum Flughafen Skopje gebracht worden, wo ihn maskierte Männer verprügelten. Er ist ausgezogen und mit einem Objekt vergewaltigt worden. Später sind ihm Windeln und ein Trainingsanzug angezogen worden. Gefesselt, mit einer Kapuze über dem Kopf und „in völliger sensorischer Deprivation“, so das Gericht, ist er unter Gewaltanwendung zu einem von mazedonischen Uniformierten bewachten Flugzeug gebracht worden. Im Flugzeug auf dem Weg nach Afghanistan ist el-Masri auf den Boden geworfen, angekettet und mit Gewalt ruhiggestellt worden.

Vier Monate musste der Gefangene in einer dunklen Betonzelle in einer Ziegelfabrik in der Nähe von Kabul aushalten. Dort wurde er wiederholt verhört, geschlagen, getreten und bedroht. Im März 2004 trat Khaled el-Masri in den Hungerstreit, nach 37 Tagen wurde er mittels eines Schlauchs zwangsernährt. Im Mai begann er den zweiten Hungerstreik. Am 28. Mai wurde er mit verbundenen Augen zunächst nach Albanien und später nach Deutschland geflogen.

Der Gerichtshof für Menschenrechte rügt in seinem Urteil scharf das Verhalten der damaligen mazedonischen Regierung; sie hatte stets behauptet, Khaled el-Masri sei wegen des Verdachts auf Reisen mit gefälschten Dokumenten verhört worden, anschließend aber habe er über die Grenze zum Kosovo ausreisen dürfen. Dagegen lägen Flugbucheinträge vor, wonach ein Geschäftsflugzeug der Luftfahrtbehörde der USA am 23. Januar 2004 auf dem Flughafen Skopje gelandet und am Abend desselben Tages nach Kabul weitergeflogen war. Am 28. Mai 2004 wiederum ist ein von der CIA gechartertes Flugzeug in Kabul abgeflogen und auf einem militärischen Luftstützpunkt in Albanien gelandet. Der frühere Innenminister der mazedonischen Regierung habe zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens schlüssig darlegen können, weshalb trotz der vorliegenden Beweise nie ermittelt wurde. Im Oktober 2008 hatte Khaled el-Masris Anwalt Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Skopje gestellt. Die Anzeige wurde abgewiesen.