Ein junger Mann sucht vergeblich nach dem Leichnam seines zu Tode gefolterten Bruders. Ein Häftling muss zusehen, wie Mitgefangene neben ihm in der überfüllten Zelle langsam sterben. Die Ermittlungen zu den Verbrechen in Syrien verlangen allen Beteiligten viel ab.

Berlin - Der Generalbundesanwalt hat gut zwei Monate nach der ersten deutschen Strafanzeige wegen Folter in syrischen Gefängnissen mit der Vernehmung der Zeugen begonnen. Die sehr ausführlichen Anhörungen der Folterüberlebenden fanden diese Woche in Berlin statt und sollen fortgesetzt werden.

 

„Die ersten Vernehmungen haben gezeigt, dass jeder, der in die Fänge eines solchen Terrorregimes gerät, absolut ausgeliefert ist“, sagte Wolfgang Kaleck vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), der an der Strafanzeige mitgewirkt hatte, am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur.

Kaleck, der bei einigen Vernehmungen als anwaltlicher Zeugenbeistand zugegen war, sagte, ein Zeuge habe geschildert, wie Häftlinge, die mit dem Tode rangen, in einer überfüllten Zelle mit über 80 Menschen von Ratten angenagt worden seien. „Das Verfahren in Deutschland zeigt den Verantwortlichen in Syrien, dass sie nicht ungestraft davon kommen werden“, sagte der syrische Anwalt Anwar al-Bunni.

Rund 28 000 Bilddateien ausgewertet

Die Folteropfer, die heute größtenteils Deutschland leben, haben mit Hilfe des ECCHR Strafanzeige gegen acht Geheimdienstchefs und weitere hochrangige Regierungsvertreter gestellt. Da es um den Verdacht auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit geht, kann gegen die mutmaßlichen Täter auch hierzulande ermittelt werden.

Der Generalbundesanwalt sammelt seit 2011 in einem sogenannten Strukturverfahren Informationen zu Kriegsverbrechen in Syrien. Dabei werden auch etwa 28 000 Bilddateien ausgewertet, die Leichen mit Folterspuren in einem Krankenhaus in Damaskus zeigen. Eines der Bilder zeigt den Bruder eines jungen Mannes, der am Dienstag in Berlin als Zeuge ausgesagt hatte.

Gezwungen, das eigene Grab auszuheben

Auch wenn in der Strafanzeige nur die Geheimdienstchefs als Täter genannt würden, stehe es dem Generalbundesanwalt frei, auch einzelne „Vernehmer“ als Tatverdächtige zu benennen, sagt Kaleck - etwa wenn einer von ihnen in Deutschland von einem Folterüberlebenden erkannt werden sollte.

Festgenommen wurden in Deutschland bislang allerdings keine Verdächtigen aus den Reihen des Regimes, sondern mutmaßliche Mitglieder islamistischer Terrorgruppen aus Syrien. Einer von ihnen soll 2013 in der Nähe der Stadt Tabka einen Scharfschützen der Regimetruppen gezwungen haben, sein eigenes Grab auszuheben, bevor er ihm die Kehle durchschnitt.