Foodwatch wirft Lebensmittelherstellern vor, zur Fehlernährung von Kinder beizutragen. Die Verbraucherorganisation wendet sich auch an den deutschen Fußballbund.

Berlin - Ungesunde Lebensmittel, perfide Marketingtricks: Die Verbraucherorganisation foodwatch hat den Herstellern vorgeworfen, massiv zur grassierenden Fehlernährung von Kindern beizutragen. Knapp drei Viertel von 1.514 untersuchten Produkten fielen in die Kategorie der süßen und fettigen Snacks, erklärte foodwatch am Dienstag in Berlin. Damit seien die höchsten Gewinne zu erzielen. Hersteller wiesen die Vorwürfe zurück. Die Grünen forderten die Regierung zu Schritten gegen die Fettleibigkeit von Kindern auf.

 

Der Anteil übergewichtiger Kinder ist Foodwatch zufolge im Vergleich zu den 80er und 90er Jahren um 50 Prozent gestiegen. Derzeit gelten 15 Prozent der Kinder als zu dick, sechs Prozent sogar als fettleibig. Folgen seien erhöhtes Risiko für Diabetes und Herzkreislauferkrankungen.

Foodwatch hatte über Recherchen in Berliner Supermärkten sowie in Internetangeboten von Händlern und Herstellern zwischen April 2011 und Januar 2012 insgesamt 1.514 Produkte als spezielle Kinder-Lebensmittel identifiziert. Nur 12,4 Prozent seien unbedenklich, wie aus dem Report „Kinder kaufen“ hervorgeht. 73,3 Prozent seien dagegen ungesund.

Hohe Gewinnspanne bei Junkfood

Während die Hersteller mit Obst und Gemüse Margen von weniger als fünf Prozent erzielten, erreichten sie bei Süßwaren, Softdrinks und Snacks Umsatzrenditen von 15 Prozent und mehr, erklärte Expertin Anne Markwardt. Mit Obst und Gemüse lasse sich wenig Profit machen, mit Junkfood und Softdrinks schon mehr, erklärte Markwardt das Ergebnis. Es lohne sich ganz einfach nicht, gesunde Produkte ans Kind zu bringen. Die Hersteller hätten betriebswirtschaftlich größtes Interesse daran, möglichst viele unausgewogene Produkte zu verkaufen und die Kinder „so früh wie möglich auf ungesundes Junkfood“ zu programmieren.

Solche Produkte sollten nicht mehr als Kinder-Produkte beworben werden und mit Comicfiguren, Spielzeugbeigaben und Gewinnspielen vermarktet werden, forderte sie. Darüber hinaus müssten Schulen und Kindergärten PR-freie Räume werden.

Grüne fordern konkrete Schritte von Regierung

Die Plattform Ernährung und Bewegung (peb) wies die Zahlen zurück. Es müsse berücksichtigt werden, dass diese Lebensmittel nur einen Teil der alltäglichen Nahrung der Kinder ausmachten, sagte die peb-Geschäftsführerin, Andrea Lambeck, auf dapd-Anfrage. Darüber hinaus sei es schwer, eine klare Grenze zwischen gesundem und ungesundem Essen zu ziehen, fügte Lambeck hinzu. In peb sind unter anderem McDonald“s, Ferrero und Capri-Sonne versammelt.

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner verwies auf die Verantwortung der Eltern: Kinder ab dem ersten Lebensjahr brauchten keine speziellen Lebensmittel wie „Bärchenwurst“. Es spräche nichts dagegen, ihnen Vollkornbrot mit Quark und Rohkost zu geben, sagte die CSU-Ministerin. Zudem erinnerte sie daran, dass auf den Packungen der Zucker- oder Salzgehalt des Produkts ausgewiesen sei.

Die Grünen-Fraktionsvize im Bundestag, Bärbel Höhn, forderte Aigner dagegen auf, sie müsse endlich Maßnahmen ergreifen, um die Kleinsten vor der Konsum- und Übergewichtsfalle zu schützen. Die Industrie halte sich nicht an die Selbstverpflichtung „ihre Ködertaktik mit Spielzeug in den Packungen zu beenden“, kritisierte Höhn in der „Frankfurter Rundschau“ (Mittwochausgabe).

Foodwatch empfiehlt DFB Trennung von Ferrero

Derweil empfahl foodwatch dem neuen DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach, die Zusammenarbeit mit dem Lebensmittelkonzern Ferrero zu beenden. Wenn der Deutsche Fußball-Bund seine gesellschaftliche Verantwortung für die Gesundheit von Kindern ernst nehme, dürfe er sich nicht vor den Karren von Ferrero spannen lassen, sagte der stellvertretende Geschäftsführer Matthias Wolfschmidt in einem dapd-Interview. Natürlich hätten die Müllers und Schweinsteigers einen besseren Einfluss auf Kinder, „wenn sie ihnen nicht Schokolade und Chips andienen, sondern ausgewogene Produkte attraktiv machen würden“, sagte er.

Ferrero erklärte, die TV-Kampagne mit den für Nutella werbenden Fußball-Nationalspielern sei eingestellt. Bereits seit Dezember 2011 laufe eine neue Kampagne. Nach einer langen Zeit der Zusammenarbeit mit den „Jungen Wilden“ habe man sich für eine neue Ausrichtung der Werbekampagne entschieden.

Vorwürfe von foodwatch, das Unternehmen stelle bewusst ungesunde Lebensmittel für Kinder her, wies Ferrero zurück. Diese Aussage sei plakativ und diene der Medienwirksamkeit.