Football-Club holt Headcoach Stuttgart Surge lockt Trainer – und sorgt für Frust beim Meister

Stuttgart Surge und Quarterback Dante Vandeven (Mi.) erlebten in diesem Jahr eine frustrierende Saison – 2023 soll alles anders und vieles besser werden. Foto: imago//Okan Barut

Stuttgart Surge aus der European League of Football will zurück zum Erfolg und verpflichtet drei Coaches vom deutschen Meister Schwäbisch Hall Unicorns – das führt zu Verstimmung.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

In der Football-Szene Württembergs hat es ein spürbares Erdbeben gegeben. Drei hochrangige Trainer haben den Schwäbisch Hall Unicorns, die am 8. Oktober ihren fünften deutschen Meistertitel eingesackt haben, den Rücken gekehrt und sich Stuttgart Surge angeschlossen. Headcoach Jordan Neuman, Defensive Coordinator Johannes Brenner und Jugendtrainer Cody Pastorino werden im kommenden Jahr die Geschicke der Mannschaft aus der European Football League (ELF) leiten. „Das ist, als würde im Fußball fast der komplette FC Bayern nach Stuttgart wechseln“, umschreibt Surge-Manager Suni Musa blumig den überraschenden Wechsel, „damit sind wir in diesem Bereich ganz hervorragend aufgestellt.“

 

Zuletzt eine frustrierende Saison

Die Stuttgarter Filiale der europaweiten Liga hatte eine frustrierende Saison hinter sich, die an biblische Plagen erinnert: Erst trennte sich der Club von Cheftrainer Martin Hanselmann wegen Erfolglosigkeit, stellte im Wochentakt Spieler frei und heuerte neue an, dennoch wurde die Runde ohne Sieg und mit zwölf Niederlagen beendet. Danach wurde unterm Fernsehturm im Hauptquartier kräftig gekehrt und umstrukturiert, Musa setzte den ehemaligen NFL-Profi George Streeter (der zuvor als Interimscoach agiert hatte) als Sportdirektor und Jeremy Bryson als Teammanager in den Führungszirkel von Surge ein. „Wir haben die drei Trainer gemeinsam nach Stuttgart geholt“, betont der Surge-Boss.

Es wäre weit untertrieben, wenn man behaupten würde, in Schwäbisch Hall seien die Verantwortlichen über die Abgänge wenig erfreut. Eher ballen sie die Fäuste in den Taschen. „Wir sind enttäuscht und bedauern die Entscheidung sehr“, sagt die Unicorns-Vorsitzende Nina Wengertsmann, „für ihre zukünftigen Aufgaben wünschen wir ihnen viel Glück und dass sie dabei das finden, was ihnen in der GFL offenbar fehlt.“ Das Trio hatte die Unicorns-Spitze bereits Mitte September informiert, dass der Wechsel zu einem Club aus der ELF bevorstehe – das war zu einer Zeit, als sich die Haller noch in den Play-offs um die deutsche Meisterschaft in der German Football League (GFL) befanden.

Schmerzhafte Abgänge für die Unicorns

„Uns hatte diese Nachricht zugegebenermaßen überrascht“, sagt der stellvertretende Clubchef David Seiffer. Es folgten einige Gespräche, doch Neuman, Brenner und Pastorino waren nicht mehr umzustimmen. „Das ist zweifellos eine Zäsur, es gilt nun, die sehr erfolgreiche Spitze unserer Trainermannschaft neu zu besetzen“, bemerkt Sportdirektor Siegfried Gehrke, „das ist kein einfacher und sicher auch kein sehr schneller Prozess. So groß ist das Feld der qualifizierten Footballtrainer, die zu unserer Philosophie passen, nicht.“

Keine Frage: Der Umzug der drei Trainer von Hohenlohe an den Neckar schmerzt die Unicorns ungemein – und ist ein empfindlicher Nackenschlag für die deutsche Football-Liga. Denn im Unicorns-Vorstand befindet sich auch Axel Streich, der zugleich im Vorstand der GFL aktiv ist – das Verhältnis zwischen GFL und ELF ist seit Gründung der Europa-Liga Anfang 2021 fühlbar angespannt.

Die Stuttgarter stört das Haller Knurren fraglos wenig, Musa hat die anspruchsvolle wie fordernde Aufgabe eines Karosseriemeisters, der ein kräftig verbeultes Auto nach einem kapitalen Unfall wieder in ein ansehnliches, vermarktbares Fahrzeug verwandeln soll. Mit welchen Argumenten der Geschäftsführer das Trio aus Schwäbisch Hall überzeugt hat, behält er jedoch für sich. Fest steht: Eine schmachvolle Saison wie die anno 2022 mögen Fans und Sponsoren von Surge noch großmütig verzeihen, doch wenn der Club auch 2023 die Rolle des Opferlamms der ELF ausfüllt, könnte die Zukunft des Standortes gefährdet sein.

Der Erfolg soll zurückkehren

„Wir wollen den Erfolg nach Stuttgart zurückbringen“, postuliert Musa, „die Neustrukturierung war der erste Schritt, die Zusammenstellung des Trainerteams ist der zweite.“ Surge muss in der nächsten Saison ja auch nicht gleich ins Championship-Game der Liga einziehen, es würde sicher genügen, 2023 mehr Siege als Niederlagen zu verzeichnen. Klebt jedoch das Image des Verlierers an der Tür zur Umkleide, würde sich Surge garantiert schwertun, den Kader mit fähigen Profis zu bestücken, „wir müssen im Ansehen der Spieler wieder steigen“, beschreibt Musa die Strategie, die in Hall bereits Unbehagen auslöst.

„Wir hoffen, dass unser Spielerkader weitgehend erhalten bleibt, auch wenn wohl einzelne Spieler ihren Trainern folgen wollen“, sagt Unicorns-Vize David Seiffer. Nicht ausgeschlossen, dass die Football-Landschaft in Württemberg zwischen Hohenlohe und Neckar noch einmal bebt.

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