Der 40-jährige Quarterback Tom Brady steht zum achten Mal im Superbowl, weil die New England Patriots die Football-Profiliga NFL entschlüsselt haben. Sie verfügen über das beste System, vom Spielsystem übers Scouting bis hin zum Coaching im Sinne der Personalentwicklung.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Stuttgart - Es braucht nur einen, der an dich glaubt. Einen, der dir eine Chance gibt. Die New England Patriots taten es. Sie sahen etwas in Tom Brady, zumindest ein bisschen was, und wählten ihn anno 2000 im Draft (Nachwuchsspielerbörse) der amerikanischen Football-Profiliga NFL aus – in der sechsten von sieben Runden, an insgesamt 199. Stelle. Sonst hatte den damals 22-Jährigen keiner auf der Rechung. Alle anderen 31 Teams sahen von einer Verpflichtung ab und ließen sich so den Mann entgehen, der sich zum erfolgreichsten Quarterback der Ligageschichte entwickeln sollte.

 

Nach dem hart erkämpften 24:20-Halbfinalsieg am Sonntag gegen die Jacksonville Jaguars steht Tom Brady mit den Patriots zum achten Mal in seiner glorreichen Karriere im Superbowl. Am 4. Februar in Minneapolis kann er mit dem Titelverteidiger und hohen Favoriten gegen die Philadelphia Eagles seine sechste Meisterschaft gewinnen. Das ist noch keinem Spieler gelungen.

Alle Spieler bei den Patriots sind austauschbar – mit einer Ausnahme

Möglich ist das alles, weil die Patriots um die kauzige Trainerlegende Bill Belichick (seit 1999 im Amt) über das beste System verfügen – vom Spielsystem übers Scouting bis hin zum Coaching im Sinne der Personalentwicklung. Es gelingt ihnen nun seit bald 20 Jahren, immer wieder die passenden Spieler für ihre Taktik zu finden. Sie holen Jahr für Jahr Akteure, die unter dem Radar der anderen Clubs fliegen, und holen alles aus ihnen heraus. Dadurch stimmt auch das Preis-Leistungsverhältnis des Personals, was aufgrund der Gehaltsobergrenze in der NFL wichtig ist. So haben sie die Ligamechanismen, die dauerhaften Erfolg verhindern sollen, entschlüsselt.

Mit Ausnahme des ewig jungen Systemadministrators Tom Brady sind alle Spieler bei den Patriots austauschbar. Wenn einer nicht mehr funktioniert wie gewünscht, wird er kurzerhand ersetzt – siehe Sebastian Vollmer, der 2016 nach sieben verdienstvollen Jahren aufgrund von anhaltenden Verletzungsproblemen entlassen wurde und danach aufgehört hat.

Rob Gronkowski fällt mit einer Gehirnerschütterung aus

Die Zahl der großen Stars neben Tom Brady ist gering. Es gibt da noch den gewaltigen Tight End Rob Gronkowski sowie die wieselwendigen Wide Receiver Julian Edelman und Brandin Cooks, die bevorzugten Anspielstationen des Quarterbacks, das war es dann aber auch mit großen Namen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass einer davon (Gronkowski) beim Titelgewinn im vergangenen Jahr fehlte, und ein anderer (Edelman) wegen eines Kreuzbandrisses schon die ganze laufende Spielzeit über ausfällt. Doch es gibt Jahr für Jahr neue Männer, die in die Bresche springen. Männer wie Chris Hogan oder Danny Amendola, beides Wide Receiver.

Chris Hogan (30), vor seiner Zeit bei den Patriots nur mäßig erfolgreich, kam in seiner gesamten Collegekarriere als Passempfänger auf läppische 147 Yards Raumgewinn, im NFL-Halbfinale 2017 gegen die Pittsburgh Steelers (36:17) erreichte er stolze 180. Auffällig oft war er dabei sträflich unbewacht, wofür er eine bezeichnende Erklärung hatte: „Trainer und Mannschaft haben das so geplant.“

Danny Amendola (32) avancierte im diesjährigen Halbfinale unerwartet zum Helden des Tages. Er fing sieben Bälle für 84 Yards Raumgewinn inklusive zweier später Touchdowns, mit denen die Mannschaft noch einen 10:24-Rückstand drehte. Seit 2013 besetzt Danny Amendola bei den Patriots eine Nebenrolle. Er ist aber immer dann zur Stelle, wenn er gebraucht wird, besonders in den Play-offs. So wie am Sonntag nach dem Ausfall von Rob Gronkowski, der Ende der ersten Spielhälfte eine Gehirnerschütterung erlitt. „Wenn man im Wörterbuch nach ,Guter Footballspieler’ sucht, findet man direkt daneben sein Bild“, sagte Bill Belichick über Danny Amendola.

Tom Brady trumpft trotz einer Wunde an der Wurfhand auf

Auch Tom Brady glänzte trotz einer genähten Wunde an der Wurfwand aus der Trainingswoche bei der Aufholjagd. „Tom hat einen großartigen Job gemacht, er ist ein harter Junge, wie wir alle wissen – aber wir reden hier auch nicht über eine Operation am offenen Herzen“, sagte Bill Belichick so, wie er so etwas eben sagt.

Mit seinen 40 Jahren agiert Tom Brady noch immer auf höchstem NFL-Niveau. Wer hätte das anno 2000 gedacht? Nicht mal der Quarterback selbst, wie er einst seinem Mitbewohner im College anvertraute: Vor dem Start seiner Profikarriere befürchtete er noch, es in der NFL womöglich nicht zu schaffen und als Versicherungsmann zu enden. Ein gewaltiger Irrtum.