Nach dem Abitur an der Max-Eyth-Schule am Rotebühlplatz in Stuttgart hat Jakob Johnson sich in die USA aufgemacht, um die American-Football-Welt zu erobern.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Stuttgart - Die Rastazöpfchenmähne ist ab. Und irgendwie passt das auch. Vom lässigen Surferboy zum gereiften Karrieretyp, so lässt sich der Wandel von Jakob Johnson vielleicht beschreiben, der sich auch in der eingekürzten Haarpracht ausdrückt. Der in Stuttgart geborene und aufgewachsene Deutsch-Amerikaner ist im Juli 2013 ins Heimatland seines Vaters ausgezogen, um die American-Football-Welt zu erobern. Mittlerweile steht er im Mutterland der Sportart vor seiner dritten Saison an der renommierten Universität von Tennessee in Knoxville.

 

Erstmals seit dem Start des großen Abenteuers ist Jakob Johnson für längere Zeit zurück in der Heimat. Der 21-Jährige, dessen Vorname in der deutschen Variante ausgesprochen wird, nutzt den freien Monat Mai, um seine Familie in Filderstadt-Plattenhardt zu besuchen. „Es ist schon verrückt zu sehen, wie sich Stuttgart verändert hat“, sagt der ehemalige Jugendspieler der Stuttgart Scorpions, der bis zu seinem zehnten Lebensjahr in Degerloch-Hoffeld wohnte. „Als ich gegangen bin, war Stuttgart 21 noch ein großes Thema. Jetzt gibt es das Milaneo, daneben die Baustelle, und ein Teil des Schlossgartens ist weg, wo wir uns früher getroffen haben, um ein paar Bälle zu werfen.“

2013 schrieb der damalige deutsche Jugendnationalspieler E-Mails an insgesamt 442 verschiedene Verantwortliche der 128 größten Football-Colleges in den Vereinigten Staaten. Vier Antworten bekam er, alle hatten den gleichen Tenor: „Komm nach Amerika und zeig’, was Du kannst.“ Also packte Johnson kurz nach dem Abitur an der Max-Eyth-Schule am Rotebühlplatz in Stuttgart seine Siebensachen und zog zu seiner Tante Constance Bailey nach Jacksonville. Dort erspielte er dann an der Jean Ribault High School in kürzester Zeit sein Collegestipendium.

Tennessee ist eine Top-Ten-Universität, was Football angeht, auch der legendäre Quarterback Peyton Manning spielte einst hier. Das Team trägt seine Heimspiele im stimmungsvollen, meist ausverkauften Neyland Stadium aus, die mit einem Fassungsvermögen von 102 455 Zuschauern sechsgrößte Arena der Welt. Das Trainingszentrum der Tennessee Volunteers verfügt über alles erdenkliche Drum und Dran inklusive Indoor-Footballfeld und speziellem Sportlerrestaurant. Athletiktrainer und Physiotherapeuten stehen den Spielern dort den ganzen Tag über zur Verfügung.

Es wird hochprofessionell gearbeitet, den Spielern fehlt es an nichts. Der Heimaturlaub ist für den 1,94 Meter großen und 112 Kilogramm schweren Jakob Johnson „wie eine Kur. Du gewöhnst dich an die Annehmlichkeiten, die du hast. Bahnfahren, Training in einem einfachen Kraftraum oder selbst die Klamotten zu waschen, das tut mal ganz gut.“

Der Konkurrenzkampf ist knallhart. „Ich befinde mich in einem großen Teich mit vielen dicken Fischen“, sagt Jakob Johnson. Er will sich an der Spitzen-Uni, die in der stärksten Staffel der höchsten Collegeliga spielt, freischwimmen. Nach einer guten Einstiegssaison musste er wegen einer Systemumstellung die Umschulung vom Linebacker (Verteidigung) zum Tide End (Angriff) in Kauf nehmen. Zuletzt litt deshalb seine Spielzeit, er verdiente sich aber in den sogenannten Special Teams Meriten. Jakob Johnson ist sogar der Kapitän der Kick-off-Return-Einheit. „Nächste Saison ist es mein Ziel, auch in der Offensive etwas beizutragen und zu punkten“, sagt er.

Auf dem rechten Oberarm trägt Jakob Johnson zu Ehren seiner Heimatstadt ein 0711-Tattoo, auf dem linken die 904 – die Vorwahl von Jacksonville. Und in Gedenken seines verstorbenen Scorpions-Mitspielers Florian Hansen hat er sich in den USA dessen Nummer 44 geben lassen: „Er war einer der Spieler, zu denen ich aufgeschaut habe.“

Er hat auch eine Verbindung zu dem Aalener Senkrechtstarter Moritz Böhringer, der unlängst nach einer unerwarteten Einladung zu einem Casting als erster Spieler aus Europa ohne jegliche USA-Erfahrung in der NFL-Nachwuchsspielerauswahl namens Draft verpflichtet wurde: „Anscheinend haben wir 2012 zusammen in der baden-württembergischen Auswahl gespielt, aber ich kann mich nicht an ihn erinnern.“

Der Sprung in die Profiliga ist freilich auch sein Traum. Jakob Johnson hat aber auch einen Plan B. Er studiert Kinesiologie, seine Noten sind ziemlich gut. Wenn es mit der NFL nicht klappt, will er ein Medizinstudium anschließen. Das ist nicht selbstverständlich für einen Footballer: „Für meine Coaches war es am Anfang Gewöhnungssache“, erzählt Johnson, „dass ich mich um alles selbst gekümmert habe, was das Studieren angeht.“