Auch zu Beginn des Wahljahres ist eine Lösung im Streit zur Obergrenze für Flüchtlinge zwischen Angela Merkel und Horst nicht in Sicht. Lange haben sie geschwiegen - jetzt machen Unionspolitiker Druck auf ihre Chefs.

Seeon - Die Chefs von CDU und CSU, Angela Merkel und Horst Seehofer, geraten nach ihrem monatelangen Streit über eine Obergrenze für Flüchtlinge innerparteilich immer stärker unter Einigungsdruck. „Ich sehe überhaupt gar keinen Grund, dass wir nicht zusammenfinden“, sagte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) am Rande der Klausurtagung der CSU-Bundestagsabgeordneten im oberbayerischen Kloster Seeon.

 

Müller appellierte an die Parteispitzen, ihren zähen Streit bald beizulegen. Eine Einigung dürfe nicht am Streit über Begrifflichkeiten scheitern. „Die CDU spricht von einer Begrenzung der Zuwanderung. Und wir sagen Obergrenze, die sich an der Integrationsfähigkeit der Gesellschaft ausrichten muss, und nennen dazu die Zahl 200 000. Das ist eine Richtgröße, an der man sich orientieren kann und muss.“

Wegen der unterschiedlichen Positionen hatte Merkel im November auf ihren Besuch auf dem CSU-Parteitag in München verzichtet - ein Bruch mit einer jahrzehntelangen Tradition. Im Gegenzug fuhr auch Seehofer im Dezember nicht zum CDU-Parteitag nach Essen. Derzeit droht zudem ein seit langem für Anfang Februar geplantes Treffen der beiden Parteipräsidien in München an der offenen Frage zu scheitern.

CSU droht mit Gang in die Opposition

Sollte sie im Falle eines Sieges der Union bei der Bundestagswahl im Herbst nicht in den Koalitionsvertrag aufgenommen werden, droht die CSU laut Seehofer sogar mit dem Gang in die Opposition. Das wäre ein Novum in der Geschichte der Schwesterparteien.

Die Forderung nach einer Einigung sind nicht neu. Schon vor Monaten hatten Innenexperten von CDU und CSU im Bundestag Merkel und Seehofer gewarnt, der Streit über eine Flüchtlingsobergrenze könne der Union schaden. Das geht aus einem am Rande der CSU-Landesgruppenklausur in Seeon bekannt gewordenen ein Brief vom 30. September hervor, der der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag vorlag.

Die innenpolitische Sprecher der Fraktion, Stephan Mayer (CSU), und Armin Schuster (CDU), mahnten darin: „Ein Ringen um den besten Kurs ist demokratisch sinnvoll. Es muss aber zu einem gewissen Zeitpunkt beendet werden, soll nicht das Gesamtprojekt Schaden nehmen. Diesen Zeitpunkt sehen wir in der Flüchtlingspolitik erreicht.“

Dem Vernehmen nach haben Merkel und Seehofer noch nicht geantwortet. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt betonte in Seeon aber, dass der Vorschlag in die laufenden Diskussionen einfließe. Zwischen CDU und CSU gebe es aber nach wie vor viel Redebedarf: „Dem werden wir in den kommenden Wochen gerecht werden.“

Neuberechnung jedes Jahr

Mayer und Schuster schlagen einen „atmenden Deckel“ als Kompromiss vor, wie Mayer in Seeon erklärt hatte. Die Aufnahmekapazität solle jedes Jahr neu berechnet werden, gekoppelt an die Zahl des Vorjahres. Eine starre Zahl solle es nicht geben. „Denn humanitäre Verpflichtungen wie auch die Aufnahme- und Integrationsfähigkeit hängen von sich stetig verändernden Faktoren ab.“

Damit kämen sowohl Merkel als auch Seehofer „gesichtswahrend“ aus dem Streit heraus. Sie lägen nicht weit auseinander. In dem Brief heißt es: „Auch Sie, Frau Bundeskanzlerin, haben mehrfach betont, dass eine spürbare Reduzierung der Zugangszahlen notwendig ist und dass sich eine Situation wie im Spätsommer vergangenen Jahres nicht wiederholen darf. Und Sie, Herr Ministerpräsident, haben erst jüngst im Spiegel keinen Zweifel daran gelassen, dass Deutschland zu seinen humanitären Verpflichtungen gegenüber politisch oder religiös Verfolgten steht.“

Mayer sagte im MDR, Seehofer und Merkel wüssten, „was die Stunde geschlagen hat und dass das Zeitfenster für einen Kompromiss nicht mehr allzu groß ist“. Er verwies auf die bevorstehenden Landtagswahlen im Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen.

Gemeinsame Erfassung von Gefährdern

In Seeon forderte der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, CSU-Vize Manfred Weber, zudem einen europaweiten Datenaustausch der Sicherheitsbehörden mit einer gemeinsamen Erfassung von Gefährdern, um den Anti-Terror-Kampf zu verbessern. Derzeit gebe es bereits in vielen europäischen Ländern entsprechende Listen, diese seien aber nicht ausreichend vernetzt.

Hasselfeldt sagte, für die CSU stehe fest, dass die EU-Staaten die Sicherheitsprobleme nicht jeweils alleine lösen können. Sollten sich wie bislang einzelne Länder nicht an der intensiveren Zusammenarbeit beteiligen, müsse es auch Sanktionen geben.

Ähnlich äußerte sich auch EU-Sicherheitskommissar Julian King. Der Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin habe erneut den grenzüberschreitenden Charakter der terroristischen Bedrohungen und die internationale Herausforderung aufgezeigt. Die EU müsse mehr tun, die Mitgliedstaaten müssten die Datenbanken aber auch besser nutzen.