Sebastian Vettels Auto überzeugt bei den ersten Tests. Ferrari und McLaren machen dagegen einen eher schwachen Eindruck.  

Jerez - Es immer die gleiche Frage, die den Formel-1-Zirkus nach den ersten Testtagen bewegt: Wer ist schnell, und wer hat ein Problem? Eindeutige Antworten gibt es weder auf der Rennstrecke noch in den offiziellen Communiqués. Irgendwie ist jeder zufrieden. Jedes Auto scheint Potenzial zu haben. Jeder spricht von produktiven Arbeitstagen. Und wenn die Rundenzeit mal nicht zu der Scheinwelt passt, die man nach außen verkauft, dann hat man den Tag damit verbracht, Daten zu sammeln.

 

Wer rausfinden will, wie es wirklich steht, muss die Körpersprache deuten und zwischen den Zeilen lesen. Bei Red Bull sind alle entspannt. Mark Webber markierte am zweiten Tag mit dem neuen Auto die schnellste Runde. Auch Sebastian Vettel fuhr ohne große Hast in diesen Bereich. Nico Rosbergs Bestzeit von 1:17:613 Minuten war nicht repräsentativ. Er fuhr sie mit dem alten Mercedes, der noch mit dem angeblasenen Diffusor bestückt war. Das Reglement für 2012 erlaubt das nicht mehr. Der Trick war zwei Sekunden wert. "Mit dem Red Bull des letzten Jahres wäre ich locker eine hohe 1:16er-Zeit gefahren", rückte Mark Webber das Mercedes-Highlight gleich mal ins rechte Licht.

Red Bull hat nicht versucht, das Rennauto neu zu erfinden. Der RB 8 ist eine Evolution des RB 7. Ohne den erwähnten Diffusortrick. Der technische Direktor Adrian Newey bedauert, dass es keine geniale Idee gibt, die diese künstliche Strömungshilfe im Heck gleichwertig ersetzt. Deshalb hat er sich darauf konzentriert, etwas Bewährtes weiterzuentwickeln. "Die modernen Autos sind so komplex, dass du besser auf ausgetretenen Pfaden wandelst", sagt der Australier Webber.

Ferrari hat den Rückwärtsgang eingelegt

Ferrari und McLaren haben genau das Gegenteil getan. Und das könnte sich als Eigentor erweisen. Ferrari stellte das ganze Fahrzeugkonzept auf den Kopf. Manche sagen, man habe geändert um des Änderns willen. Der Chefdesigner Nicolas Tombazis verteidigt den radikalen Ansatz: "Wir waren in den letzten Jahren nicht übermäßig erfolgreich. Ohne eine aggressive Entwicklungspolitik hätten wir uns nicht von der Stelle bewegt."

Die ersten Testfahrten vermitteln aber den Eindruck, dass Ferrari den Rückwärtsgang eingelegt hat. Das Auto ist schwer zu fahren, schwer abzustimmen - und es kommt nicht auf gute Rundenzeiten. Auf Red Bull fehlen 1,3 Sekunden. Auf Lotus noch mehr. Felipe Massas Antwort auf lästige Fragen wirkte einstudiert. "Dieses Auto ist mit keinem seiner Vorgänger vergleichbar. Alles ist neu, und wir müssen jedes Detail neu lernen. Aerodynamik, Fahrwerk, Set-up, ja sogar die Reifen. Vor uns liegt ein riesiger Berg Arbeit. Wir müssen diese Woche viele Daten sammeln und uns auf den nächsten Test konzentrieren."

So kauft man sich Zeit. Der Barcelona-Test findet erst in zwei Wochen statt. Bei Ferrari brennt es lichterloh. Das wird den Druck auf die Entscheidungsträger weiter erhöhen. Und Druck produziert weitere Fehler. Angeblich hat der Präsident Luca di Montezemolo schon den Befehl ausgegeben, nicht ohne gute Rundenzeiten nach Italien zurückzukehren. Doch erst einmal konnte Fernando Alonso den Auftrag nicht erfüllen. Ein Hydraulikschaden legte den Ferrari stundenlang lahm. Dann setzte er die Messreihen fort, mit denen Massa schon zwei Tage beschäftigt war. Wenn die Flügel auch am dritten Testtag noch mit Spezialfarbe besprüht werden, um den Strömungsverlauf nachzuzeichnen, ist das kein gutes Zeichen.

Sebastian Vettel muss sich neue Gegner suchen

McLaren steht ein bisschen besser da. "Wir sind klar besser als zur gleichen Zeit im letzten Jahr. Es gibt nichts, über das wir uns Sorgen machen müssen", beruhigte Jenson Button nach zwei Testtagen, in denen sich der neue McLaren nur im Mittelfeld befand. Auch in diesem Team verschanzte man sich hinter der Standardantwort, man müsse zuerst einmal zahlreiche Messreihen abarbeiten. Als ob Red Bull das nicht auch muss. Lewis Hamilton sorgte am dritten Tag für Entwarnung. Zum ersten Mal kam auch der neue McLaren deutlich unter die 1:20er-Schallmauer, die man brechen muss, um bei der Musik zu sein.

Vielleicht muss sich Sebastian Vettel in diesem Jahr neue Gegner suchen. Seinen Teamkollegen Mark Webber zum Beispiel. Auch der Rückkehrer Kimi Räikkönen wird nach seiner Bestzeit am ersten Testtag schon als Geheimfavorit gehandelt. Der Finne kehrte im Gegensatz zu Michael Schumacher ohne Eingewöhnungsschwierigkeiten zurück. "Es ist, als wäre ich nie weg gewesen." Sein Lotus E 20 ist aus dem Stand schnell. "Das Auto ist gut gemacht", urteilt Adrian Newey mit Kennerblick. Gibt es ein größeres Kompliment?