Bei Ferrari hat es für Nico Hülkenberg diesmal nicht geklappt. Kimi Raikkönen dem Deutschen den begehrten Platz bei den Ferraristi weggeschnappt. Nun liegt die Zukunft des Sauber-Fahrers vielleicht ausgerechnet bei Raikkönens ehemaligem Rennstall.

Singapur - Die Absage war kurz und schmerzlos. Sie kam um elf Uhr nachts per SMS. Der Ferrari-Rennleiter Stefano Domenicali teilte Nico Hülkenberg mit, dass man sich gegen ihn und für Kimi Räikkönen entschieden habe. „Einen Anruf hätte ich mir nach zwei Monaten Verhandlung schon gewünscht“, sagte Hülkenbergs Manager Werner Heinz verärgert. Die Sache mit Ferrari war ernster als viele glauben mochten. Hülkenbergs Management hatte in Lugano mit Ferrari im Beisein von sechs Anwälten bereits einen Vertragsentwurf ausgehandelt. Schon 2012 hielt Hülkenberg mit Maranello Kontakt, doch der ging nie über unverbindliche Gespräche hinaus.

 

Diesmal war es ernst. Man kann Nico Hülkenberg die Enttäuschung ansehen. Ferrari-Fahrer zu sein, das wäre es gewesen. Einmal auf den Spuren Michael Schumachers zu wandeln. Mit Fernando Alonso, dem vielleicht komplettesten Fahrer im Feld, als Messlatte. Hülkenberg hält viel von dem Spanier. „Von ihm kann man nur lernen.“ Doch es sollte nicht sein. Ferrari vertraut lieber der sicheren Option Räikkönen. Der Traditionsrennstall ist nicht gerade berühmt dafür, auf Risiko zu setzen. In den vergangenen 30 Jahren jedenfalls wurden nur zwei Fahrer verpflichtet, die bis dahin noch keine Podiumsplatzierung hatten. Das war 1985 Stefan Johansson und 2006 Felipe Massa, Nico Hülkenberg wäre der dritte gewesen.

Bei Lotus auf der Wunschliste ganz oben

Nachdem Räikkönen vom Markt ist, steigt Hülkenberg zur Königsfigur im „Stellungskampf“ um die freien Formel-1-Cockpits 2014 auf. Erste Wahl ist Lotus. Dort ist der Sitz, den Räikkönen am Ende des Jahres räumen wird. Für den Rennstallbesitzer Gerard Lopez steht der lange Blonde aus dem Rheinland ganz oben auf der Wunschliste. Man lotet schon seit über einem Jahr die gegenseitige Vertragssituation aus. Inzwischen ist mehr daraus geworden. Es fehlt eigentlich nur noch die Unterschrift, und dann wäre Hülkenberg ein Lotus-Pilot. Der Weltverband Fia hat ihn bereits als Lotus-Fahrer verkauft. Hülkenberg ist einer von sechs Fahrern, die an der Donnerstags-Pressekonferenz teilnehmen mussten. Und da stand Hülkenberg (Lotus) und nicht Hülkenberg (Sauber).

Der bei Ferrari ausgemusterte Felipe Massa klopft ebenfalls an die Lotus-Tür. Doch Massa ist kein Konkurrent für Hülkenberg. Höchstens ein Ergänzungsfahrer. Die augenblickliche Nummer zwei Romain Grosjean steht unter Beobachtung. Lopez hatte viel Geduld mit seinem Sorgenkind: „Romain ist mit allem schnell, was vier Räder hat. Für mich zählt er zu den Talentiertesten in dem Geschäft. Aber er erinnert mich an einen begnadeten Fußballspieler, der immer verletzt ist.“ Grosjean hat sich nicht so gesteigert, wie sich das seine Förderer gewünscht haben. Seine Leistungen schwanken zwischen brillant und Mittelmaß. Irgendwann kann auch Lopez seine schützende Hand nicht mehr über seinen Fahrer halten. Grosjean protestiert: „Seit dem vierten Rennen stimmt meine Leistung. Nur die Ergebnisse zeigen das nicht.“

Nichts bleibt im kleinen Kreis

Lotus steht vor dem Umbruch. Räikkönen geht weg. Der Technikdirektor James Allison ist schon weg, und der Chefaerodynamiker Dirk de Beer befindet sich auf dem Sprung. Alle zu Ferrari. Dazu die ständigen Gerüchte, dass kein Geld in der Kasse ist. Dass Räikkönen immer noch auf einen Teil seiner 21-Millionen-Euro-Gage wartet. Dass Lotus noch keinen Motorenvertrag für 2014 hat. Das alles hat auch Hülkenberg gelesen und gehört. In der Welt der „Zirkusaffen“ (Zitat Niki Lauda) bleibt nichts im kleinen Kreis. Doch bei Lotus hat man ihn beruhigt. Der Rennstall werde sein Personal aufstocken. Für den Aerodynamikchef ist bereits Ersatz gefunden. Er kommt von Ferrari. Das Budget soll bei 160 Millionen Euro bleiben. Und der Motor wird wie bei Red Bull ein Renault V6-Turbo sein.

Es gibt nur noch keine offizielle Verlautbarung, weil Lotus und Renault noch um die Konditionen streiten. Red Bull möchte seinen Motor im nächsten Jahr Infiniti nennen. Dafür gibt es von Nissans Premiummarke 50 Millionen Euro auf die Hand. Das schmeckt Renault nicht, obwohl Nissan zum Konzern gehört. Doch Red-Bull-Siege sind dann keine Renault-Siege mehr. Lopez würde gerne die Lücke füllen. Sein Angebot an Renault: Macht uns zum Werkspartner, dafür kriegen wir die Motoren umsonst. Lotus würde so 20 Millionen Euro sparen.

Der Motor kann 2014 die WM entscheiden

Hülkenberg ist nach der Absage von Ferrari nicht ausschließlich auf Lotus angewiesen. Zu seinen Freunden von Force India kann er immer zurück. Obwohl der Rennstall der Inder zur Zeit nur im Mittelfeld kämpft, ist er eine Option. Force India fährt mit Mercedes-Motoren. Von denen erzählt man sich, dass sie nächstes Jahr die Formel 1 beherrschen könnten. Obwohl es keine belastbaren Zahlen gibt, hat sich diese Meinung im Fahrerlager verfestigt. Der Motor kann 2014 eine bis zwei Sekunden Unterschied ausmachen. Würde die Annahme mit Mercedes stimmen, wäre Force India über Nacht ein Top-Team. Selten war es so schwierig, die richtige Wahl zu treffen. Auch Räikkönen hat gesagt: „Du kannst alles falsch oder alles richtig machen.“ Hülkenberg kann sich bei Lotus trösten: Wenn er 2014 mit dem Renault-Motor hinterher fährt, dann fährt auch Sebastian Vettel hinterher.