Beim Grand Prix von Österreich bot die Formel 1 das so sehnsüchtig zurück erwartete Spektakel – nun lautet die Frage: Geht es so weiter?

Sport: Dominik Ignée (doi)

Spielberg - Wende oder Ausrutscher? Das war die große Frage nach dem unterhaltsamen Formel-1-Rennen in Spielberg. Der Sieger Max Verstappen degradierte die sonst so überlegenen Mercedes-Jungs Lewis Hamilton und Valtteri Bottas zu Statisten und zertrümmerte Charles Leclercs Träume vom ersten Formel-1-Sieg im Rambo-Stil. Diese Darbietung hatte endlich mal wieder Würze. „Ihr habt drum gebettelt, dass ihr Rennfahren bekommt, da hattet ihr es“, sagte der Fünftplatzierte Hamilton. Doch geht es so weiter? Sind Mercedes-Dominanz und Langeweile nun vorbei?

 

Hoffnung auf mehr Abwechslung durch andere Sieger besteht – allerdings sind da jetzt Ferrari und Red Bull gefordert. Vor allem die Italiener sollten damit aufhören, nur stolz ihren Nimbus als traditionsreichste Formel-1-Marke durchs Fahrerlager zu tragen – und trotzdem immer wieder Prügel zu beziehen: seit Jahren von Mercedes, in Spielberg von Red Bull. Das Österreich-Rennen offenbarte mal wieder die Fehlerhaftigkeit der Scuderia. Sebastian Vettel steht schon in der Box, da tragen die Mechaniker gerade erst die Reifen aus der Garage. Derlei Schludrigkeiten bei einem geschätzten Jahresetat in Höhe von 400 Millionen Euro rufen die Spötter auf den Plan. Auch die Reifenwahl am Leclerc- Auto, die der Mercedes-Sportchef Toto Wolff als „mutig“ bezeichnete, führte ins Ungemach.

Ferrari macht zu viele Fehler

Sonst hätte Verstappen wohl nicht mehr so lässig an den Ferrari-Mann Leclerc herankommen können. „Es tut mir ein bisschen weh für Charles. Ich bin mir aber sicher, wenn er so weitermacht, kommt der erste Rennsieg bald“, sagte Sebastian Vettel über seinen untröstlichen Teamkollegen, der drei Runden vor Schluss den Sieg verlor.

Das war nicht der erste Team-Fehler in dieser Saison. Hinzukommt, dass vor allem Vettel wohl kraft seines ungebrochenen Ehrgeizes immer mal wieder die Nerven verliert – so wie bei seiner Rasenfahrt in Kanada. Fehler und Konzentrationsschwierigkeiten sollten unbedingt in den kommenden Wochen abgestellt werden. Gerade in diesem Sommer gibt es noch gute Möglichkeiten, mit dem etwas stärkeren Ferrari-Motor die Mercedes zu besiegen. Wohl noch nicht beim nächsten Rennen in Silverstone, wo mit einem Vollgas-Anteil von lediglich 70 Prozent gefahren wird. Doch auf den Hochgeschwindigkeitskursen in Hockenheim, Spa und Monza dürfte Ferrari im Vorteil sein. Nun kommen für die Italiener die Wochen der Wahrheit. Nur in dieser Phase ist der Rückstand aufzuholen.

Verstappen ist top, der Teamkollege wird überrundet

Auf Red Bull wartet dagegen noch viel Arbeit. Der Verstappen-Erfolg hat nicht verdeckt, dass der Niederländer seinen Teampartner Pierre Gasly überrundet hat. So viel zum Thema Motorleistung und aerodynamische Effizienz. Das Honda-Aggregat ist gut, aber wohl nicht gut genug. Die starke Spielkarte Verstappen allein wird für weitere Siege möglicherweise nicht ausreichen.

Für eine weitere Mercedes-Dominanz spricht, dass die Mannschaft auch nach einem schwachen Rennen beim nächsten Mal wieder voll auf der Matte stehen kann. Auf dem Hochgeschwindigkeitskurs in Spielberg, der eher keine ausgewiesene Mercedes-Strecke ist, fuhren Hamilton und Bottas wegen Überhitzungsgefahr mit angezogener Handbremse – eine starke Rückkehr in Silverstone ist möglich. Außerdem wird es sich Lewis Hamilton nicht nehmen lassen, vor eigenem Publikum zu triumphieren.

Die Hochgeschwindigkeitskurse muss Mercedes nur irgendwie überstehen. Das Punktepolster von Hamilton ist komfortabel genug, um nicht nervös zu werden. Außerdem ist Mercedes dafür bekannt, nach Niederlagen sofort in Klausur zu gehen und die Mängel zu beseitigen – von solch einem Arbeitsethos träumen sie in Italien.

Mercedes arbeitet an den Kühlungsproblemen

„Es ist klar, dass wir unsere Kühlungsprobleme für die anstehenden heißen Europarennen beheben müssen“, sagt Toto Wolff. „Bis dahin müssen wir diese Probleme im Griff haben, sonst können uns ein paar schwierige Rennen ins Haus stehen“, fügt sein Rennfahrer Hamilton hinzu.

Nach Silverstone und Hockenheim wird noch im Kurvenparadies Budapest gefahren. Da sind die Reifenflüsterer von Mercedes wieder im Vorteil. In Spielberg wurde derweil darüber abgestimmt, ob die Pirelli-Reifen aus dem Vorjahr aufgezogen werden sollen, um so die lähmende Mercedes-Dominanz künstlich zu beenden. Die Teams haben knapp dagegen gestimmt, alles bleibt also beim Alten – ein Vorteil für Mercedes.