Sebastian Vettel lässt vor dem Saisonauftakt am Sonntag in Melbourne keine Zweifel daran, dass er den dritten WM-Titel nacheinander holen will.

Melbourne - Frieden in der Formel 1, sagt Niki Lauda, dürfe man nie trauen. Darüber kann auch die beschauliche Szene am St. Kilda Beach in Melbourne, nur einen Steinwurf von der Rennstrecke im Albert Park entfernt, nicht hinwegtäuschen. Sebastian Vettel und Mark Webber, die Favoriten von Red Bull, spielen bei einer inszenierten Strandparty Cricket für die Fotografen. Heimvorteil für den Australier also. Bis Vettel den Ball mit voller Wucht knapp über den Kopf seines Teamkollegen knallt. Auf einen Schlag ist klar, wie lässig der Heppenheimer den Hattrick angehen wird. Mit seinem spitzbübischen Grinsen, hinter dem er geschickt den Ehrgeiz und die gnadenlose Härte verbirgt. Nicht nur Webber ist gewarnt.

 

Dass die Generalprobe für den Saisonstart am Sonntag (7 Uhr/RTL) mit dem Großen Preis von Australien neulich in Barcelona wegen eines Getriebeproblems schiefgelaufen ist, gibt offenbar auch dem Daueroptimisten Vettel etwas mehr zu denken. „Es war ein Zuverlässigkeitsproblem, kein Desaster. Aber wir sollten für das erste Rennen okay sein, und dann sehen wir weiter“, sagt der Doppelweltmeister. Über den Hattrick will er erst mal noch nicht reden, „der ist noch weit weg. Deshalb liege ich nachts sicher nicht wach“.

Zumal eine andere wichtige Entscheidung gerade gefallen ist – die Namensgebung seines neuen Dienstwagens: Das gute Stück heißt „Abbey“. Anders als bei Randy Mandy, Luscious Liz oder Kinky Kylie noch ohne Attribut. Kann ja noch kommen, hoffentlich nicht „Shabby“ für schäbig. Eigentlich sollte das Auto ja „Everybody’s Wife“ heißen, eine vornehme Umschreibung für „Schlampe“. Aber in seiner (Ausnahme-)Stellung muss Vettel nun ein bisschen auf die Manieren achten.

Fünf frühere Weltmeister jagen Vettel

Die technischen Regeländerungen für 2012, zum Beispiel das Verbot des angeblasenen Diffusors, waren bewusst gegen Red Bull gezielt. „Ich glaube, dass alle Teams enger beieinander liegen“, sagt Vettel, „es könnte Überraschungen geben. Wir müssen herausfinden, wo wir stehen.“ Die rasenden Bullen könnten allerdings auch mal wieder bluffen. Vettel ist deshalb trotz allem der große Favorit auch für das neue Rennjahr. „Regeln ändern sich ständig, so verschieben sich aber auch die Herausforderungen“, sagt er.

Die ehemalige Partytruppe aus Milton Keynes schickt sich an, eine eigene Ära in diesem Jahrtausend zu begründen, was bisher nur Ferrari vergönnt war. Die Parallelen der Systeme sind frappierend. Nimmt sich doch die Paarung Vettel/Red Bull ein Beispiel an der Dominanz von Michael Schumacher/Ferrari. Die Überüberlegenheit hat Methode.

Unter all den Vettel-Jägern befinden sich fünf Rennfahrer, die bereits mindestens einmal Champion waren. „Die einmalige Situation mit sechs Weltmeistern im Feld ist etwas, das sich auf die Vergangenheit bezieht. Es hat nichts mit den anstehenden 20 Rennen zu tun und macht einen nicht schneller“, sagt der sonst so geschichtsbewusste Titelverteidiger Vettel, „wenn wir im letzten Rennen die Möglichkeit haben, um die Meisterschaft zu kämpfen, sind wir glücklich genug. Gegen wen, spielt da eigentlich keine Rolle.“

Vettels Luxusprobleme

Er ist erst 24 Jahre alt, und es ist ihm peinlich, dass ihm viele frühere Champions bereits „wahre Größe“ bescheinigen. Aber ein Anführer ist er, auch bei Red Bull. Die Mengenlehre des Weltmeisters selbst umfasst Intelligenz, Fokus, Leidenschaft, Inspiration, Talent und Fitness. Er sagt, dass es durch die wachsende Erfahrung – seinen 100. Grand Prix wird er Mitte November in den USA bestreiten – leichter falle, mit seinen Energiereserven hauszuhalten.

15 Pole-Positionen und elf Siege 2011 sind ihm nicht zu Kopf gestiegen: „Es wäre dumm zu glauben, dass nie etwas schiefgehen kann. Das haben wir auf dem Weg nach oben ja gelernt. Jeder wird eines Tages geschlagen, das ist auch nicht schlimm. Aber es geht darum, wie man wieder zurückkommt.“ Das positive Denken drückt sich auch darin aus, dass er auf die Standardfrage nach seiner Lieblingsrennstrecke sagt: „Eine Menge.“ Nicht die Suche, sondern die Sucht nach dem Mehr.

Die Queen auf der Fahrzeugnase

Auch wenn das ein paar Luxusprobleme mit sich bringt. Zu Hause in Neumühli im Schweizer Kanton Thurgau sind die Regale zu klein für die vielen Trophäen. Vettel ist bekennender Pokalfetischist: „Sind nicht alle Menschen irgendwie Sammler?“ Deshalb steht die große silberne Vase für den WM-Titel zurzeit noch auf dem Esstisch, weil sie nicht ins Wohnzimmer passt: „Schön, wenn man solche Probleme hat.“

Am Donnerstag stand in der Boxengasse des Albert Parks eine fliederfarbene Puppe auf der Fahrzeugnase von Vettels RB 8, die sich bei näherer Betrachtung als die Queen von England entpuppte. Das Rennen um die Krone hat wieder begonnen. Mit einer deutlichen Ansage Vettels: „Ich bin nur hier, um den Titel zu gewinnen. Dass es der dritte in Folge ist, spielt keine Rolle.“